Nachdem unsere Kinder bisher ihre Helfertätigkeiten auf unseren Baustellen eher als Schufterei und nur punktuell als beglückend erlebt hatten, wollten wir das diesen Sommer ändern und den Funken der Begeisterung für traditionelles Handwerk und Restaurierung entfachen.
Dazu durften sie FreundInnen einladen, um mit diesen gemeinsam verschiedene Fertigkeiten zu erlernen und auszuprobieren. Die Grundidee war zunächst, dass mit Lehm und Holz gearbeitet wird – zur Vorbereitung hatte ich u.a. im März einen Lehmbaukurs in Wangelin besucht. Dazu sollten Grundzüge der Gartengestaltung wie zum Beispiel ein Zaun aus Weiden- oder Haselruten entstehen.
Doch es kam besser: Zum besonderen Gelingen des Sommerkurses trug bei, dass ich im Frühjahr in Hamburg die Restauratorin Caroline Weiss kennenlernte, ihr von meinem Plan erzählte und sie sich spontan anbot, mitzuwirken. Welches Glück uns da zuteil wurde, offenbarte sich in der anschließenden Planungsphase: Caroline (ebenfalls IgB-Mitglied) hat nicht nur ein ungemein breitgefächertes Fachwissen sowie einen langjährigen Erfahrungsschatz, sie hatte auch viele Jahre Restauratoren ausgebildet und brachte zudem aus ihrem Fundus Gerätschaften, Maschinen und Materialien mit zu uns ins alte Schulhaus nach Groß Twülpstedt, wo wir alle hausten.
Als ideale Ergänzung erwies sich Johannes Schlüter, gerade neu an der HFBK Hamburg diplomierter Designer im Holzbau, ganz in der Nähe aufgewachsen und gerade dabei, sich eine Holzwerkstatt in der elterlichen Försterei aufzubauen, wo er von Kindesbeinen an mit traditionellen Bauweisen aufgewachsen war.
Und so wurden zwei Hobelbänke aufgestellt, Begriffe wie Zapfenloch, Konterform und Schieblehre gelernt, die Stecheisen am Schleifstein geschliffen und damit Holzdübel gefertigt. Morgens gab es Unterricht bei uns zu Hause an den Hobelbänken und einer selbst gebauten Tafel, nachmittags wurde auf der Baustelle in Räbke gearbeitet, wo wir ein altes, seit vielen Jahrzehnten leerstehendes Fachwerkhaus sanieren und restaurieren. In Zweiertrupps wurde Mauern gelernt, jede/r durfte eine restauratorische Befunduntersuchung der Farbschichten an Türen und Fenstern vornehmen, Türen wurden vermessen und zugeordnet, Lehmsteine hergestellt, Holzschutzmittel auf Leinölbasis verstrichen und injiziert, alte Fenster begutachtet und Tapetenreste gesucht und in zeitliche Abfolge sortiert, Fundamente eines vor Jahren abgerissenen Stallgebäudes frei gelegt, Holzdielen aufgenommen und gesichert, alte Nägel gezogen, Sand und Schutt bewegt – und eine zugemauerte Türöffnung freigelegt.
Positive Nebeneffekte der kleinen Sommer-Bauhütte sind das neue, auf Maß gefertigte Regal für unsere Werkzeugkammer, Reparaturen an Veranda, Gartenbank und Liegestühlen, die in großen Mengen gerodeten Brennnesseln sowie die nun auf dem Hof gestapelten alten Backsteine und Dachziegel, die von anderen Lagerplätzen herangeschafft wurden.
Es waren zwei sehr intensive Wochen, die die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Themen konfrontierten, die sie in Zukunft vielleicht nicht alle in ihren jeweiligen Berufsfeldern werden anwenden können, die sie aber sichtbar sensibilisiert haben in Fragen des Bewahrens, Reparierens, des Sehens und Verstehens alter Bausubstanz und deren Erhalt. Und so wird der ein oder die andere vielleicht auch mal den Schritt zum Kauf eines alten, geschundenen Gebäudes wagen und dazu beitragen, Kulturerbe zu schützen und vor dem Abbruch zu retten.
Sonja Peltzer-Montfort (†)
Sonja war eine sehr geschätzte und engagierte Vereinskollegin, IgB-Schriftführerin und Freundin, sie ist im September 2021 unerwartet verstorben.