Die unter Denkmalschutz stehenden Häuser Große Straße 30 – 34
a, alle im Besitz der Stadt Verden, sollten im Jahr 1997 mit dem Hinweis auf
Abbruchgenehmigung seitens der Stadt Verden, an einen Gesamtinvestor
verkauft werden. Aus letztendlich drei Bewerbern wurde einer
ausgesucht, der keinen Hehl daraus machte, dass seine Planungen
ebendieses vorsehen.
Ausgenommen davon war das jüngste massive Eckhaus Nr. 34. Konkret gefährdet waren also die Giebelhäuser Nr. 30 und 32, sowie das Torhaus Nr. 34 a. Über ein Jahr versuchten wir mit dem Arbeitskreis Verdener Altstadt in der IgB in der Öffentlichkeit dagegenzuhalten: durch Verteilung von Holznägeln, Gegendarstellungen in den Zeitungen, Erstellung und Vertrieb eines Posters mit dem Titel „Verdens Baudenkmale in Gefahr”, Briefe und Telefongespräche mit Ratsmitgliedern usw.
Es gab Kaufinteressierte, die einzelne Gebäude oder den gesamten
Komplex erhalten wollten. Alle wurden mit dem Hinweis auf eine
Kaufoption für einen Investor abgewiesen. Den ersten Durchbruch
erreichten wir mit der Aufforderung an die Ratsmitglieder, sich
persönlich bei der Bezirksregierung und dem Landesamt für
Denkmalpflege nach dem Niedersächsischem Denkmalschutzgesetz zu
erkundigen. Davon machten mehrere Ratsmitglieder Gebrauch. Die
entscheidende Auskunft war: Baudenkmale im Besitz einer Kommune
unterliegen einer erhöhten Erhaltungspflicht und für sie kann keine
Unwirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. Daraus resultierte:
erhaltungswillige Kaufinteressenten haben Vorrang vor abbruchlustigen
Investoren. Diese Position haben wir von Anfang an vertreten. Die
Ratsmitglieder, die sich kundig gemacht hatten, mussten sich jedoch
vom Bürgermeister und Verwaltungsspitze rügen lassen. Erkundigungen
seien bitte bei der eigenen Verwaltung einzuholen.
Noch größeren
Unmut löste eine Einladung der Denkmalpfleger bei der
Bezirksregierung an Rat und Verwaltung aus, eine Besichtigung von gut
restaurierten Baudenkmalen in Lüneburg anzubieten. Das sei eine
unzulässige Einmischung!
Das gesamt Viertel befindet sich im Besitz der Stadt Verden und steht unter Denkmalschutz. Abs. 4 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes enthält eine gesteigerte Erhaltungspflicht des Landes und der Kommunen. Das Land und die Kommunen haben, wie sich aus § 2 entnehmen lässt, eine Vorbildfunktion. Sie müsse konsequenterweise ihre eigenen Baudenkmale in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auch über die Grenze der wirtschaftlichen Zurnutbarkeit hinaus erhalten. Dass es trotzdem die Möglichkeit gibt, sich von schützenswerten Gebäuden zu trennen, ist grundsätzlich richtig. Nicht jede Kommune verfügt über genügend Geldmittel, um Gebäude zu erhalten. Selbstverständlich sollte jedoch sein, nur an solche Privatpersonen zu veräußern, die sich eindeutig für den Erhalt aussprechen. Hier reicht es nicht aus, Anzeigen in der Tageszeitung in der Größe 10 x 10 cm zu schalten, in denen der Verkauf von stadteigenen Gebäuden angekündigt wird.
Auch hier mussten sich die wenigen Ratsmitglieder, die der Einladung gefolgt waren, hinterher rügen lassen. Dann kam die erste Wende. Der Rat sollte dem Verkauf an den Investor zustimmen. Doch der Rat verlangte zuerst ein Schadensgutachten. Ein Aufschrei ging durch die Stadt. Der Investor zeigte sich enttäuscht. Der zukünftige Mieter, die Commerzbank, macht dieses Theater nicht mehr lange mit. Der Stadtdirektor: „Ein Teil der Politiker hat sich von Leuten beeinflussen lassen, die oberflächlich kompetent sind” und „eine Kampagne von Laien beeinflusst den Rat”.
Erst jetzt wurde das getan, was eigentlich ganz am Anfang einer Denkmalsanierung zu stehen hat: eine gründliche Schadensanalyse. Etwa zu diesem Zeitpunkt führten wir eine Unterschriftenaktion durch. Die Unterschriften mit entsprechenden Begleitunterlagen schickten wir als Eingabe an den Petitionsausschuss des Niedersächsischen Landtages. Von dort wurde bereits nach kurzer Prüfung Auskunft von der Bezirksregierung erbeten. Da man dort offiziell nichts wusste, wurden zur Klärung Unterlagen von der Stadt Verden angefordert. Darüber hinaus wurde diese angewiesen, keine weiteren Schritte in dieser Sache zu unternehmen. Doch wenn es dem Esel zu wohl ist ... Es wurden keine Unterlagen eingereicht und das zwischenzeitlich erstellte Gutachten für weitere Abbruchaktivitäten interpretiert. Dann beschloss der Rat den Verkauf der Häuser an den Investor, allerdings zum Zwecke der Sanierung nach den Anforderungen des Denkmalschutzes. Sollte für den Investor die Sanierung unwirtschaftlich werden, hatte er ein Rücktrittsrecht. Erwartungsgemäß macht er noch vor der nächsten Ratssitzung davon Gebrauch. Jetzt sollte der Stadtrat endgültig über den Abbruch der Häuser entscheiden. Doch es kam anders.
War die Forderung, für man um Zustimmung in der Bevölkerung warb: Unterschriftenlisten lagen in Geschäften, Arztpraxen und Apotheken aus. Uns unterstützten Leute aus allen Bevölkerungs- und Wählerschichten, wir sammelten im Familien- und Freundeskreis. Gleichzeitig wurden alle IgB-Mitglieder in Niedersachsen angeschrieben und mit Listen versorgt. Insgesamt haben mehr als 2800 Unterzeichner unseren Aufruf unterstützt, davon 1152 in Verden und umzu. Mehrere Mitglieder haben zusätzlich Kommentare anzufügen und damit unseren Protest nachhaltig unterstützt. Gegen falsch verstandene Stadtsanierung im Stile der 60er- und 70er-Jahre half nur energischer Schulterschluss. Der ist uns in Verden gelungen.
Wenige Stunden vor der Sitzung traf eine Weisung der Bezirksregierung bei der Stadt ein. Fußballfans würden von einer „Roten Karte” sprechen. Alle denkmalrechtlichen Entscheidungen über die Gebäude lagen ab sofort nur noch bei der Bezirksregierung. Der Grund war unser laufender Petitionsantrag, zu dem während des Verfahrens keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden durften. Das Entsetzen der Offiziellen war groß. Wenige Tage danach gelang es dem Bürgermeister bei der Regierungspräsidentin ein Treffen zu organisieren mit dem Ziel, einen Ausweg aus dieser Misere zu finden. Unter Vermittlung der Präsidentin gelang es zwischen den Parteien, jedoch zunächst ohne uns, folgende Lösung anzusteuern: Das Haus Nr. 30 mit Saalanbau und nach Aussagen der Denkmalpfleger das wichtigste Baudenkmal, wird aus dem Kaufvertrag herausgelöst und an einen erhaltungswilligen Einzelbewerber verkauft. Das Haus Nr. 32, durch Gutachten das substanziell schlechteste und von der Denkmalpflege aufgegebene Haus, darf durch einen Neubau ersetzt werden. (Dieses Haus benötigt die Commerzbank zusammen mit der Nr. 34 als Bankgebäude. Nur gut, dass das Haus Nr. 30 nicht an dieser Stelle steht.) Das Torhaus soll vom Investor restauriert werden. Der historische Zwischenbau vom Torhaus zur Nr. 34 darf durch einen Neubau ersetzt werden. (Unserer Meinung nach wurde dieser Teil von der Denkmalpflege schlicht vergessen unter Schutz zu stellen.) Die anschließenden Garagen dürfen ebenfalls durch einen Neubau ersetzt werden
Dieser Kompromiss wurde uns unterbreitet, als wir mit vier Personen vom Arbeitskreis Verdener Altstadt bei der Regierungspräsidentin in Lüneburg zusammentrafen. Es ging um die Frage, ob wir mit diesem Ergebnis unseren Petitionsantrag zurücknehmen können. Falls nicht, würde die Bezirksregierung dieses Ergebnis dem Petitionsausschuss empfehlen. Nach zwei Wochen Bedenkzeit stimmten wir dem Kompromiss zu: von drei gefährdeten Altstadthäusern konnten zwei gerettet werden.
Heinz Riepshoff, IgB