Ein Jubiläum: 50 Jahre Holznagel

von Heinz Riepshoff, IgB

Donnerlittchen1, der Holznagel wird 50. Es ist unglaublich, seit 50 Jahren erhält jedes Mitglied mindestens 6-mal im Jahr den Holznagel: geballtes Wissen, spannende Erfahrungsberichte von Mitgliedern und immer das Neueste über Baugesetze und Denkmalpflege. 

Glückliche Mitglieder sind diejenigen, die alle Ausgaben gesammelt haben. Das sind über 300 Ausgaben Holznagel auf 120 cm Regallänge. In einigen Jahren gab es zu besonderen Anlässen noch einen „Holznagel Extra“ und einige Außen- und Kontaktstellen haben zusätzlich einen oder auch mehrere „Holznagel Regional“ herausgebracht.

Nach der Vereinsgründung im Dezember 19732 kam 1975 der erste Holznagel heraus: „Der Holznagel“ mit Logo (Bärentatzen mit Haus) und dem Hinweis: Mitteilungsblatt der Interessengemeinschaft Bauernhaus Kreis Grafschaft Hoya e. V. Zu diesem Zeitpunkt dachte noch niemand daran, dass nur wenige Jahre später der Landkreis Grafschaft Hoya aufgelöst und auf die vier Nachbarkreise verteilt werden würde.3 Es dachte auch noch niemand daran, dass sich 50 Jahre später der Verein aus der Nähe von Bremen auf die ganze Bundesrepublik ausgedehnt haben würde. Die Redaktion für den Holznagel hatte im ersten Jahr Adolf Assling. Aber bereits die erste Ausgabe trug die Handschrift unseres Gründungsvaters Julius H. W. Kraft. Als gelernter Grafiker und Kenner der regionalen Baukultur schrieb er nicht nur für die kommenden 20 Jahre die meisten Artikel, sondern auf ihn geht auch das Layout des Holznagels zurück, dass bis heute, von einigen Änderungen abgesehen (farbig statt s/w, etwas größer und statt 16 Seiten heute 100), immer noch seine Handschrift trägt.

Der erste Holznagel 1/1975. Im Archiv der IgB befinden sich die Originalunterlagen der ersten fünf Jahrgänge mit allen Abbildungen, Texten und dem Filmmaterial für den Druck © IgB-Archiv
Das Material für jede Ausgabe befindet sich in einem Umschlag, auch die Filme, wie hier das Negativ für eine Windmühle © IgB-Archiv

In Windeseile kreierte er das Logo mit den Bärentatzen und dem Giebel eines Niederdeutschen Hallenhauses. Er selbst schreibt dazu: „Als wir für unsere Tätigkeit ein Symbol suchten, boten sich die Bärenklauen der Grafen von Hoya an. Die bewehrten Tatzen konnten durch ihre Paarigkeit gut eine Innenform bilden, die ein Hallenhaus zeigt. Die zwei nach außen gekehrten Tatzen erinnern so auch gleichzeitig an die Paarigkeit der Giebelzier auf unseren alten Häusern, die Pferdeköpfe, die Unheil von unseren Höfen fernhalten, oder Glück auf das Haus herniederziehen sollten.”4 Daneben der Titel der Zeitschrift in kräftigen Lettern: Der Holznagel. Krafts Motto: „Der Holznagel“ verbindet, „Der Holznagel“ hält zusammen, „Der Holznagel“ hält fest, „Der Holznagel“ rostet nicht. Gott sei Dank, darum hat er auch so lange unbeschadet durchgehalten und erfreut uns noch heute.

Die Aufsätze in der ersten Ausgabe sind bemerkenswert. Auf der Titelseite die Überschrift: „Er ist da…“. Man könnte auch sagen, darauf haben wir alle gewartet, endlich! Auf Seite 3 wird die IgB beschrieben: „Die IG Bauernhaus in Kürze“. Auf Seite 5: „Problem Nummer 1: Die Gesetze“. In diesem Artikel deutet sich bereits an, was die IgB in den ersten Jahren beschäftigen sollte, der § 35 im Bundesbaugesetz. Darin wird geregelt, was im Außenbereich von Ortschaften gebaut werden darf oder auch nicht. Anfang der 1970er Jahre waren Gebäude nur unter bestimmten Bedingungen im Außenbereich geduldet, bzw. privilegiert. Kulturdenkmale gehörten noch nicht dazu. Mehre Jahre kämpfte die IgB dafür, dass Gebäude, die schon seit Generationen in der Kulturlandschaft stehen und diese prägen, ebenfalls privilegiert wurden. Das gelang durch unermüdlichen Einsatz und Hilfe von vielen Seiten (s. auch S. 14).

1975 war auch das „Europäische Denkmalschutzjahr“. Die damals kleine IgB beteiligte sich nach Kräften daran. Auf den Seiten 6 und 7 der ersten Ausgabe sehen wir Briefmarken, die für wenig Geld bei der IgB erworben werden konnten. Sie sollten natürlich nicht die Briefmarken der Post ersetzen, sondern waren als Zugabe gedacht, um Denkanstöße für den Erhalt von Bauernhäusern, Wirtschaftsgebäuden und Mühlen zu geben. Im Holznagel 2/1975 ruft der Vorstand zum Tag der offenen Tür am 1. Mai auf. Die Idee, Mitglieder öffnen ihre Häuser und zeigen, wie wunderbar und komfortabel es sich in alten Gemäuern leben lässt. In alten Häusern zu wohnen galt damals (1970er-Jahre noch voll in der Abrisswelle) in der Öffentlichkeit noch als rückständig und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hielt das für spinnerte Ideen von Städtern. Heute ist der „Tag des offenen Denkmals“ Allgemeingut.

 © IgB Archiv
Das Signet des Holznagels: Zwei Bärentatzen mit dem Giebel eines Niederdeutschen Hallenhauses in der Mitte. Rechts, auf Pergament, der Originalentwurf von Julius Kraft © IgB Archiv
Drei Skizzen von Julius Kraft aus der Experimentierphase für das Signet © IgB-Archiv

An die Anfänge des Holznagels zu erinnern, heißt auch daran zu erinnern, wie er hergestellt wurde. Der älteste Sohn von Julius Kraft, Friedeborn Kraft, war von Beruf Schriftsetzer. Mit seiner Hilfe und viel Eigenleistung wurden aus den mit der Schreibmaschine geschriebenen Texten ein Layout, Satz, Korrektur und Filme für den Druck hergestellt.5 Nach dem Druck fielen ein halbes Dutzend IgB-Mitglieder über den Holznagel her, um ihn in Umschläge zu verpacken und bei der Post aufzugeben, natürlich auch ehrenamtlich. So verlief die Herstellung des Holznagels über 20 Jahre.

Die von Julius Kraft verfassten Texte im Holznagel hat noch keiner gezählt, aber in den ersten 20 Jahren waren es wohl die allermeisten. Kein Gebäudetyp, kein Gebäudeteil und kein Teil unserer Kulturlandschaft, das nicht von ihm bearbeitet worden wäre. 20 Jahre später entstand aus seinen Beiträgen die in einer Auflage von 50.000 Stück gedruckte Broschüre: „Was wie machen? Instandsetzen und Erhalten alter Bausubstanz“. Durch Kontakte über den Niedersächsischen Heimatbund zur Landesregierung in Hannover gelang es, eine 100%ige Förderung für die Herausgabe zu bekommen. Für viele Jahrzehnte ein begehrtes Buch für alle, die ein altes Haus erworben hatten, aber keine Ahnung hatten, wie man mit den einzelnen Gewerken umgeht. Der Umschlag der Broschüre ist bis heute ein Hingucker – ein Kinderbild. Es ist eines von vielen tollen Bildern eines Malwettbewerbes im Jahr 1979.6 Ein weiteres Buch kam 2015 heraus: „Julius H. W. Kraft – Holznägel – Aufsätze von 1975-1990“. Auf 400 Seiten sind 55 seiner wohl wichtigsten Beiträge zusammengefasst und damit auch zugänglich für neuere Mitglieder.

Ohne Übertreibung kann man sagen, der Holznagel hatte es in diesen Jahren zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Das lässt sich auch daran ablesen, dass Briefe an Julius Kraft ihren Empfänger erreichten, die heute postwendend zurückgeschickt würden. Herrn Julius Kraft – Verein für alles – Wildeshausen durchgestrichen – 2833 Harpstedt. Seine richtige Anschrift war Hus Veertein, 2833 Kirchseelte. Es gab zwar einen Straßennamen, aber Julius Kraft blieb hartnäckig an der alten Hausnummer 14 für Kirchseelte Nr. 14 haften. Es schrieb auch mal jemand an: Kraftnagel, 2833 Kirchseelte, Hus Veertein. Auch der Brief kam an.

Klebemarken der IgB von 1975 zum „Europäischen Denkmalschutzjahr“ mit Hinweis der Herausgeber zum Inhalt der Marken und deren Verwendung © IgB-Archiv
Eine kleine Auswahl von kuriosen Briefumschlägen an Julius Kraft und an die IgB © IgB-Archiv

Aus den frühen Holznägeln besondere Exemplare zu würdigen, fällt schwer und würde auch den Rahmen sprengen. Einer ist mir in besonderer Erinnerung geblieben, der Holznagel 6/1989. Die Schlagzeile auf dem Umschlag, Seite 1: „Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun, uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!“ Dem folgen Gedanken von Julius Kraft von einem Außenstellentreffen in Hüllhorst (Kreis Minden-Lübbeke): Der Tag an dem die Mauer fiel. Der Vorstand fuhr geschlossen in einem Wagen von Syke nach Hüllhorst (1. Vorsitzender Julius Kraft, 2. Vorsitzender Ralf Folke Schwinge, Geschäftsführer Heinz Riepshoff). Wir hörten unterwegs Autorradio und konnten kaum glauben, was wir da zu hören bekamen. Angekommen in Hüllhorst eröffnete unser 1. Vorsitzender die Veranstaltung, indem er aufstand und mit lauter fester Stimme die Internationale sang.

Dazu muss man wissen, dass es bereits lange vor der Wende konspirative Kontakte zu DDR-Bürgern gab. Dazu gehörten die Familie Thielk in Rostock, Peter Dorn in der Oberlausitz sowie Gustav Ginzel im Isergebirge (Tschechien). Eine Geschichte für sich ist der konspirative Weg, den damals der Holznagel zu den DDR-Freunden und zu Gustav Ginzel nahm.7 Diesen frühen Kontakten ist es aber zu verdanken, dass sich die IgB ab 1990 schnell in die neuen Bundesländer verbreiten konnte.

Auf dem Flur von „Huus Veertein“ stehen die ehrenamtlich verpackten Holznägel, abholbereit für die Post © IgB-Archiv

Die äußere Form des Holznagels änderte sich nur sehr langsam. Bis 2010 wurde er bis auf wenige Ausnahmen, einfarbig schwarz/weiß gedruckt. Experimentiert wurde dem Zeitgeist entsprechend mit umweltfreundlichem Papier. Damit fiel aber die Druckqualität schlechter aus. Danach kam eine Periode mit blütenweißem Papier, und dann ab 2011 kam der zweifarbige Holznagel in Gelb-Schwarz. Außerdem wurde er etwas größer, aus 15 x 21 cm wurde 16,8 x 24 cm. Ab Ausgabe 4/2019 wurde der Holznagel so, wie wir ihn heute kennen, Vierfarbig. Kennt man die Mentalität der Mitglieder, wundert man sich nicht darüber, dass sich die Schwarz/Weiß-Version so lange gehalten hatte. Zwischen den Traditionalisten und den Neuerern gab es immer wieder lange Diskussionen darüber, ob man die alte Form zu Gunsten einer farbigen verlassen sollte. Die alten Hasen führten immer wieder ins Feld, dass die Schwarz/Weiß-Version ein Alleinstellungsmerkmal in der Bundesrepublik hätte und darum etwas Besonderes wäre. Ein sicher wichtiges Argument zur farbigen Version war der Missstand, Beiträge über Farbigkeit am Fachwerk, Türen und Fenster nicht angemessen abbilden zu können. Dem Ansinnen, das Logo aus den Bärentatzen mit dem Giebel eines Hallenhauses aufzugeben, konnte widerstanden werden. Denen, die glauben erkennen zu können, dass das Emblem ein Haus darstellt, dass vom Feuer gefressen wird, kann ich nur entgegenhalten, das Hallenhaus als Synonym für alle alten Häuser hat überlebt, so wie der Holznagel.

Ich für meinen Teil gratuliere der IgB für dieses tolle, unverwechselbare, nicht ersetzbare Heft für Mitglieder und alle, die unsere Ziele teilen.

1Norddeutscher Begriff für großes Erstaunen.

2Heinz Riepshoff: Wir erinnern uns: Gründungsgeschichte der IgB, Holznagel 1/2023.

3Bei der Kreisreform 1977 ging der heutige Landkreis Diepholz durch Fusion aus den Landkreisen Grafschaft Hoya und Grafschaft Diepholz hervor. Der Landkreis Grafschaft Hoya wurde auf die Landkreise Diepholz, Nienburg, Oldenburg und Verden aufgeteilt.

4Julius H. W. Kraft: Huus Veertein IGB, Lilienthal 1998, S. 116.

5Holznagel 2/2022, S. 64: Nach langer Krankheit ist unser Gründungsmitglied Friedborn Kraft im Alter von 79 Jahren verstorben.

6Holznagel 3/1979, S. 16-20.

7Wie Anm. 4, S. 115.

aus: HN 3/2025

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