Nordrhein-Westfalen braucht kein neues Denkmalschutzgesetz, das im
Ergebnis den Denkmalschutz aushebelt. Doch trotz massiver Proteste
wurde am 6. April 2022 kurz vor der
Landtagswahl mit der Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP das neue
Denkmalschutzgesetz verabschiedet. Rund eineinhalb Jahren
haben wir von der IgB – mit dem Denkmalschutz-Bündnis NRW, in
dem wir von Beginn an aktiv sind – unermüdlich unsere Stimme gegen
das Gesetzesvorhaben erhoben (und insgesamt drei Stellungnahmen dazu eingereicht). Bis zur letzten Minute. Aber alle Einwände
wurden von der zuständigen Ministerin Ina Scharrenbach ignoriert,
genauso wie eine online-Petition gegen das Gesetzesvorhaben, die über
24.000 Menschen – unter ihnen auch viele IgB-Mitglieder –
gezeichnet hatten sowie die mehrfachen Gesprächsangebote des
Denkmalschutz-Bündnisses an das zuständige Ministerium. Noch am Tag der Abstimmung waren Akteure
des Denkmalschutz-Bündnisses (s. www.denkmalschutz-erhalten.nrw) bei einer von der
Deutschen Stiftung Denkmalschutz initiierten Demonstration gegen das
neue Gesetz vor dem Landtag in Düsseldorf dabei vertreten.
Wir sind empört über die Entscheidung des Landtags, denn der Denkmalschutz hat in NRW Verfassungsrang und sollte entsprechend behandelt werden. Nordrhein-Westfalens Baudenkmalen stehen nun dunkle Zeiten bevor. Daher wird sich die IgB im Denkmalschutz-Bündnis weiter dafür einsetzen, dass das jetzt beschlossene Gesetz in der neuen Legislaturperiode auf der Basis eines breiten gesellschaftlichen Dialogs nachgebessert wird!
Das beschlossene Gesetz weist eine deutliche Verschlechterung für
die Baudenkmale auf. In unserer Stellungnahme an den NRW-Bauausschuss
vom März 2022 haben wir das massiv kritisiert – genauso wie viele
andere Denkmal-Fachleute im Denkmalschutz-Bündnis NRW und darüber
hinaus. Der unabhängige Sachverstand der Denkmalfachämter wird im
neuen Gesetz geschwächt. Das heißt, nur Behörden, die nicht
„angemessen ausgestattet“ sind, müssen zukünftig bei
abweichenden Auffassungen das sogenannte Benehmen mit dem
Denkmalfachamt von LVR oder LWL herstellen. Für die anderen gilt,
dass die Fachämter nur noch angehört werden, sonst aber nicht
weiter an Entscheidungsprozessen mitwirken dürfen – selbst
wenn Denkmale verändert oder sogar abgerissen werden sollen. Nicht
nachvollziehbar ist für uns, dass die fachliche Expertise der
Denkmalämter nicht mehr in jedem Fall abgerufen werden soll, zumal
das Gesetz nicht klärt, was „angemessen ausgestattet“ überhaupt
bedeutet. Die Ungleichbehandlung von Unteren Denkmalbehörden in Form
einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ ist nicht nur fragwürdig,
sondern erzeugt darüber hinaus ein unnötiges Verwaltungschaos –
anstatt einer Verwaltungsvereinfachung oder gar Qualitätssteigerung,
wie es das Ministerium als Ziel des neuen Gesetzes ausgibt.
Nach der Auffassung der Ministerin soll bei den Unteren
Denkmalbehörden in der Baudenkmalpflege nach 42 Jahren ausreichend
Fachkompetenz vorliegen, um fachliche Entscheidungen allein, bzw.
lediglich unter Anhörung der Denkmalfachämter zu treffen. Abgesehen
davon, dass innerhalb der 42 Jahre, in denen das alte Gesetz bisher
existiert, Behörden-Mitarbeiter häufiger wechselten, können wir in
der IgB aufgrund unserer jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit
Denkmalbehörden feststellen, dass insbesondere im ländlichen Raum
Denkmalbelange untergeordnet in den Bauämtern „miterledigt“
werden. Während unserer Fluthilfe in der Eifel hat sich gezeigt,
dass viele Mitarbeiter zwar sehr engagiert, die Behörden aber
personell eklatant unterbesetzt sind und, dass erhebliche fachliche
Defizite vorliegen: insbesondere in Bezug auf Bautechnik,
Baugeschichte und Hausforschung sowie die Verwendung altbaugerechter
und nachhaltiger Materialien. Nur durch Hinzuziehung des
Sachverstands des Fachamtes oder anderer Externer konnten diese
ausgeglichen werden.
Der Verzicht auf die Benehmensherstellung wird auch vielen wohlmeinenden Mitarbeitern der Unteren Denkmalbehörden das Leben schwerer machen. Sie dürften verstärkt unter den Druck politischer Entscheidungen und wirtschaftlicher Interessen auf kommunaler Ebene geraten, wenn sie nicht mehr auf das erforderliche Benehmen mit den unabhängigen Denkmalfachämtern verweisen können. Und gerade auf „ungeliebte Denkmale“ wird sich der immobilienwirtschaftliche Verwertungsdruck deutlich erhöhen. Schon jetzt zeigt das am 1. Juni in Kraft getretene Gesetz seine Schatten voraus: In Westfalen-Lippe hat sich die Zahl der Anträge auf vollständigen oder Teilabbruch von Baudenkmälern in den vergangenen sechs Monaten gegenüber dem halben Jahr zuvor fast vervierfacht, wie der LWL bekannt gibt.
Dass im Gesetz außerdem Klimaschutz und Denkmalschutz als Gegensätze angeführt werden, können wir von der IgB nicht nachvollziehen. Jahrhundertealte denkmalgeschützte Bestandsbauten aus zumeist regionalen Baustoffen sind bereits von sich aus klimafreundlich. Mit Blick auf die Gesamtenergiebilanz (graue Energie) ist eine nachhaltige Instandsetzung der beste Klimaschutz und Denkmalschutz gleichermaßen – insbesondere, wenn alte Bauteile wiederverwendet sowie Ressourcen und Baumaterialien schonend eingesetzt werden. Davon abgesehen ist dieser Aspekt bereits mit dem aktuellen Denkmalschutzgesetz geübte Praxis, die insbesondere durch die Expertise der Fachämter begleitet wird.
Dass das Gesetz fachfremden Einzelinteressen Vorschub leisten will, zeigt sich auch dadurch, dass Doch damit nicht genug: Noch am Tag der Abstimmung wurde ein weiterer Ergänzungsantrag von CDU und FDP eingebracht wurde. Instandsetzungsarbeiten bedürfen danach keiner Genehmigung mehr, wenn sie sich auf Teile des Denkmals auswirken, die für seinen Denkmalwert ohne Bedeutung sind. Dürfen nun also Eigentümer selbst entscheiden, was wichtig für den Denkmalwert ihrer Gebäude ist und was nicht?
In den letzten eineinhalb Jahren haben wir von der IgB mehrere
Stellungnahmen zum Gesetzesvorhaben verfasst, die
Landtagsabgeordneten angeschrieben und Gespräche geführt, um
Schaden von NRWs Baudenkmalen abzuwenden. Das fast wöchentliche
online-Treffen des Denkmalschutz-Bündnis war ein fester Termin im
IgB-Kalender. Unser bisheriges Wirken hat dazu geführt, dass die SPD
die IgB als Sachverständige zur Anhörung zum Denkmalschutzgesetz im
NRW-Bauausschuss geladen hat. Der Anhörungs-Termin fand im März 2022 im
Düsseldorfer Landtag statt, wo unser Verein vom Bundesvorsitzenden
Hajo Meiborg vertreten wurde. Wir freuen uns, dass die IgB ihre
Positionen in der Anhörung einbringen konnte, allerdings finden wir
diesen einzigen Termin, bei dem nur auf Fragen geantwortet werden
konnte – für eine offene Debatte blieb keine Zeit – und bei dem
überdies nicht alle im Denkmalschutz relevanten Akteure
berücksichtigt wurden, nicht angemessen. Als Thema von
Verfassungsrang verdient der Denkmalschutz einen respektvollen
parlamentarischen und einen öffentlichen Umgang.
Sowohl in den eingereichten Stellungnahmen an den Bauausschuss als
auch bei der Anhörung überwog die Kritik am Gesetzesvorhaben.
Zusammenfassend wurde bemängelt, dass die Fachlichkeit im
Denkmalschutz ausgehebelt werden soll. Die Sachverständigen
verwiesen auf Unschärfen, unpräzise und somit missverständliche
Formulierungen im Gesetzesentwurf, der noch dazu keine transparenten
Kriterien erkennen ließe.
Die Akteure des Denkmalschutz-Bündnisses, das für hunderttausende ehrenamtlich Engagierte, Denkmaleigentümer und Denkmalfachleute steht hatten Ina Scharrenbach bzw. dem Ministerium mehrfach ihre Diskussionsbereitschaft und Unterstützung signalisiert, wurden jedoch nicht am Gesetzgebungs-Prozess beteiligt. Insofern ist es irritierend, dass die Ministerin wenige Minuten vor der Gesetzesabstimmung in der Plenarsitzung behauptete, sie habe „an vielen Stellen“ mit den beteiligten des Denkmal-Bündnisses gesprochen.
Zwei Tage vor der Abstimmung des NRW-Landtags, am 4. April 2022,
hatte das Denkmalschutz-Bündnis NRW die „Düsseldorfer
Erklärung“ mit seinen Forderungen für ein gutes
Denkmalschutzgesetz veröffentlicht. Wir appellieren an alle
Parteien, das bestehende Denkmalschutz-Gesetz nicht abzuschaffen,
sondern in der nächsten Legislaturperiode das bisher unbeantwortet
gebliebene Gesprächsangebot anzunehmen und das Denkmalschutzgesetz
in breitem Konsens weiterzuentwickeln.
Die Verantwortung gegenüber dem eigenen kulturellen Erbe bekommen wir in diesen Tagen grausam und unmittelbar vor Augen geführt – Mitten in Europa. Der Krieg gegen die Ukraine ist auch ein Krieg gegen die Kultur. Er zerstört, wie alle Kriege, erst die Menschen, dann die Geschichtszeugnisse und mit ihnen die kulturelle Identität. Auf brutale Weise zeigen die letzten Wochen, wie gesellschaftsstiftend und zugleich fragil und unwiederbringlich das kulturelle Erbe ist. Auch deshalb darf NRW den Denkmalschutz nicht leichtfertig ohne notwendigen Grund und durch die Bevorzugung fachfremder Einzelinteressen preisgeben. Der Denkmalschutz und die Denkmale brauchen einen fachgerechten und wertschätzenden Umgang.
Vorstand & Geschäftsführung, IgB
Zum Herunterladen:
Die Stellungnahme der IgB an den NRW Bauauschuss vom 8.3.2022
Die „Düsseldorfer Erklärung“ des Denkmalschutz-Bündnisses NRW vom 4.4.2022
Die Stellungnahme der IgB vom 9.4.2021 im Rahmen der zweiten Verbändeanhörung