Lauenhäger Bauernhaus @ Bernd Kunze, Interessengemeinschaft Bauernhaus

IgB-Fachtagung

Klimaschutz ist mehr als Wärmedämmung 31.3-1.4.2023: eine Zusammenfassung

Im Zentrum der Tagung stand die Auffassung, dass die immer deutlicheren Folgen des Klimawandels auch im Sektor Bauen und Wohnen veränderte Strategien verlangen. Der Blickwinkel der bisherigen Berechnungspraxis zur Bewertung von Energieeffizienz – verengt auf den künftigen Betriebsenergiebedarf und die Heizenergieerzeugung eines Gebäudes – muss deutlich erweitert werden. Insbesondere gilt es, die riesige Menge an sogenannter „Grauer Energie“ zu berücksichtigen, die in den Millionen von Wohngebäuden allein in Deutschland steckt. Das gelingt nur, wenn dem Erhalt von Altbauten endlich Vorrang vor dem Errichten neuer Gebäude eingeräumt wird – auch im Hinblick auf Ressourcenschonung und Müllvermeidung. Primär muss alles getan werden, um die vorhandene Bausubstanz zu sichern und „intelligent“ zu sanieren. Dazu muss das Augenmerk verstärkt auf bisher vernachlässigte Aspekte gerichtet werden, wie die besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Gebäudes, Wärmespeicherung und passive Solarenergienutzung, thermische Zonierung, die Art der Wärmeübertragung, dezentrale Energieerzeugung und Kreislaufwirtschaft. 

In Kürze machen wir hier auf der IgB-Homepage ausführlichere Darstellungen der einzelnen Vorträge zugänglich.

Und ganz wichtig!

Diskussion und Erfahrungsaustausch über dieses Themenfeld sollen natürlich weitergehen. Kommentare und weiterführende Ideen sollen in der Beratungsstelle in der Alten Schule Soldorf gesammelt und in geeigneter Weise allen Interessierten zugänglich gemacht werden.

Kontakt

Tel. 05723-749307, E-Mail: as_schaumburgerland(at)igbauernhaus.de

Die bundesweite Tagung vom 31.3-1.4.2023 fand mit 95 Teilnehmern ein erfreulich großes Interesse. Sie war von Manfred Röver, Wolfgang Riesner und Wolf Bredow als eine der ersten besonderen Veranstaltungen anlässlich des 50-jährigen Bestehens der IgB vorbereitet worden.

Der Tagungsort im vor knapp 20 Jahren translozierten Baudenkmal „Lauenhäger Bauernhaus“, westlich von Hannover im Schaumburger Land gelegen, bildete einen würdigen Rahmen für die gelungene Veranstaltung. Der reibungslose organisatorische Ablauf wurde durch ein 10-köpfiges Helferteam aus heimischen IgB-Mitgliedern sichergestellt. Um die Technik kümmerte sich Wolf Bredow.

Nach der Begrüßung durch den „zuständigen“ Außenstellenleiter und Landesbeauftragten Manfred Röver und Siegbert Krickhahn, Bürgermeister der Gemeinde Lauenhagen (die übrigens seit mehr als 20 Jahren IgB-Mitglied ist) begannen die Impulsvorträge mit anschließender Diskussion unter der Moderation von Wolfgang Riesner (2. stellv. Bundesvorsitzender IgB).

Das neue Bauen heißt nicht mehr bauen!

Den Auftakt machte der Architekt Bodo Schanzenberger aus Hirrlingen in Baden-Württemberg, aktives Mitglied bei den „Architects for Future“ (A4F). Sein Vortrag unter dem Titel: Das Neue Bauen heißt: nicht mehr neu bauen! umriss mit eindringlichen Darstellungen die große Bedeutung des Bereiches Bauen und Wohnen hinsichtlich Energie-, Flächen- und Ressoursenverbrauch, Schadstoffbelastung und Müllaufkommen. Ein klares Plädoyer für die Bedeutung der Grauen Energie und den vorrangigen Erhalt von Bestandsgebäuden.

In Vertretung des kurzfristig verhinderten Prof. Ralf Kilian vom Fraunhoferinstitut IBP in Holzkirchen (Bayern) stellte sein Kollege Dr. Stefan Bichlmair sehr anschaulich aktuelle Forschungsergebnisse seines Institutes zu verträglichen Wärmedämmmethoden bei historischen Gebäuden vor.

Fördermöglichkeiten für energetische Sanierung

Nachdem die Mittagspause Gelegenheit zu persönlichem Austausch und zum Besichtigen der translozierten Gebäude des Anwesens bot, ging es nachmittags zunächst in einem Doppelvortrag um Fördermöglichkeiten für energetische Altbausanierung.

Nachdem der Elektroingenieur und Gebäudeenergieberater für Baudenkmale Michael Drossel eine halbe Stunde benötigte, um eine Übersicht über die für den Außenstehenden kaum noch zu durchschauenden aktuellen Fördermöglichkeiten und deren Einschränkungen zu geben, unterzog anschließend seine Kollegin Annett Kunberger die bisherige Energiespar- und Förderpraxis einer kritischen Wertung. Aus dem Blickwinkel ihres interessanten beruflichen Hintergrundes beklagte sie den inzwischen überbordenden bürokratischen Aufwand des Fördersystems und den Wegfall Praxis bezogener Unterstützung für Altbausanierer. Die aus generell mangelhafter Bauberatung speziell für historische Gebäude häufig resultierenden Sanierungsfehler veranlassten sie zu einem Plädoyer für „Low- statt HeizTech“.

Impulsreferate im Sinne der Hauptzielrichtung der Tagung

Die junge Bauingenieurin Ylva Cohrs-Müller, die in Münster die neue Vertiefungsrichtung „Bauen im Bestand“ studiert hat, stellte die seit Urzeiten bekannte Nutzung von passiver Solarenergie und Wärmespeicherung vor. Es ist schon sehr erstaunlich, dass diese altbewährten Prinzipien in der heutigen Architektur und Energiesparpraxis kaum noch eine Rolle spielen. Die negative Folge ist, dass diese beim Bauen und Nutzen von Häusern mehr und mehr in Vergessenheit geraten sind. Auch die – bei richtiger Konstruktion – sinnvolle Nutzung von Wintergärten als Mittel zur Einsparung von Heizenergie wird beim modernen Bauen meist pervertiert als „ins Grüne verlängertes“ Wohnzimmer ohne thermische Trennmöglichkeit zum Hausinneren und kluge Lüftungseinrichtungen – was dazu führt, dass gewerbliche Anbieter elektrisch betriebene Kühlsysteme gegen sommerliche Überhitzung gleich mitverkaufen.

Den letzten Vortrag des ersten Tages hielt Godela Rührmund, die zwar keine bautechnische Ausbildung, dafür aber eigene Erfahrungen im Neu- und Altbau aufweisen kann. Sie referierte über Flexible Grundrisse und Wärmezonierung – zwei weitere altbekannte Methoden zum sparsamen Umgang mit Energie, und erläuterte diese am Beispiel eines von ihr und ihrem Mann vor gut 20 Jahren errichteten Neubaues in Brandenburg sowie ihres 2014 erworbenen niederdeutschen Hallenhauses, dass schrittweise unter Beachtung dieser Erfahrungen rück- und umgebaut wird.

Ein Großteil der Teilnehmer nutzte anschließend die Gelegenheit, an einem gemeinsamen Abendessen im ländlich geprägten Restaurant „Zum Dicken Heinrich“ im Nachbarort Lüdersfeld teilzunehmen. Dies bot bis spät in die Nacht ausreichend Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und Erfahrungsaustausch der aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Teilnehmer.

Strahlungswärme

Der Samstag begann mit einem Vortrag des Restaurators Bodo Vogel aus Jesteburg, der von seinen Erfahrungen mit der von Prof. Großeschmidt in Bayern entwickelten Methode der Wandtemperierung berichtete. Diese beruht im Wesentlichen auf einer am Fuß der Innenseite von massiven Außenwänden eingeputzten Heizrohrleitung, die gleichzeitig aufsteigende Feuchtigkeit bei fehlender Sperrschicht zurückdrängen kann. Hierbei spielt auch das Prinzip der bereits am Vortrag behandelten Strahlungswärme eine wichtige Rolle, die zur Herstellung eines für den Menschen behaglichen Raumklimas eine um etwa 3°C geringere Raumtemperatur benötigt – was wiederum fast 10 % Heizenergie einspart. Darüber, inwieweit diese Methode auch als alternative Beheizungsmöglichkeit von Wohnhäusern geeignet ist, gab es anschließend eine kontroverse Diskussion. Immerhin lässt sich diese Methode sozusagen stufenlos zu einer Wandheizung erweitern.

Auch der nächste Vortrag von Rainer Niermann, Gründer der seit über 40 Jahren existierenden Fa. Niermann-Ofenbau in Seelze bei Hannover, befasste sich schwerpunktmäßig mit dem Prinzip Strahlungswärme – in diesem Fall mit der Heizquelle Grundofen. Nachdem er die Wirkungsweise dieses allgemein wenig bekannten Ofentyps recht anschaulich und plausibel erläutert und die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten bis hin zum Treppenofen anhand eindrucksvoller Fotos dargestellt hat, beklagte er die zunehmenden Schwierigkeiten, die den handwerklichen Herstellern dieser sehr spar- und emissionsarmen Öfen durch immer weiter verschärfte gesetzliche Auflagen gemacht werden. Und natürlich generell, dass es für diese sinnvolle Heizmöglichkeit im Gegensatz zu einer Pelletheizung keinerlei Förderung gibt.

Luftdichtigkeit, Raumlüftung und Maßnahmen gegen sommerliche Überhitzung

Bauingenieur Manfred Röver referierte über immer wichtiger werdende Themen wie Luftdichtigkeit, Raumlüftung und Maßnahmen gegen sommerliche Überhitzung.

Nach der Mittagspause stand dann das seit Jahren immer noch heftig diskutierte Thema „Wärmedämmung von Fachwerkwänden“ auf dem Programm. Diese teilten sich die Organisatoren der Tagung in drei Impulsreferate auf:

Zuerst erläuterte Manfred Röver allgemein die Besonderheiten und „systemimmanenten“ Probleme der Fachwerkbauweise – insbesondere vor dem Hintergrund der sich immer weiter verschärfenden Anforderung hinsichtlich Energieeinsparung. Er hielt einen Rückblick auf die im Laufe der Zeit praktizierten unterschiedlichen Versuche, diese möglichst schadensfrei einzuhalten und plädierte abschließend für die von ihm nach wie vor favorisierte hohlraumfreie Leichtlehmmethode.

Dämmung

Anschließend hielt der Architekt Wolfgang Riesner ein Plädoyer für die von ihm seit langem praktizierte Innenschale als hoch gedämmte Leichtwand mit Hinterlüftung der vorhandenen Fachwerkwand.

Als Dritter im Bunde stellte der Bauingenieur Wolf Bredow die heute immer mehr gebräuchliche Methode vor, Wärmedämmplatten mit bestimmten Eigenschaften ohne Luftschicht von innen direkt auf die Fachwerkwand aufzubringen. Einzelheiten erläuterte er am Beispiel eines zusammen mit seiner Frau Ulla Grünewald in den letzten Jahren sanierten Fachwerkhauses in Möhler (Westfalen).

Nach der hieran sich anschließenden Diskussion mit erwarteten unterschiedlichen Meinungen folgte noch eine Kurzvorstellung der seit 2004 aktiven „Beratungsstelle für Ländliche Baukultur“ in der Alten Schule Soldorf im Schaumburger Land durch Manfred Röver sowie des Leader-Kooperationsprojektes „Baukulturdienst Weser-Leine-Harz“ der IgB durch Ylva Cohrs-Müller.

Schlussbilanz: Die Lauenhäger Erklärung

In der Schlussbilanz wurde der Entwurf einer „Lauenhäger Erklärung“ diskutiert, ergänzt und gemeinsam verabschiedet. Diese enthält als Quintessenz der Tagung 10 Forderungen, die die IgB mit möglichst großer Breitenwirkung veröffentlichen und natürlich auch bei wesentlichen Institutionen und Entscheidungsgremien einreichen wird. Hoffen wir gemeinsam, dass diese auf fruchtbaren Boden fallen!

Lauenhäger Erklärung

Forderungen aus der IgB-Fachtagung „Klimaschutz ist mehr als Wärmedämmung“ am 31.3. & 1.4.2023 in 31714 Lauenhagen

1) Die graue Energie muss bei der Bewertung der Energieeffizienz im Bauwesen endlich mit einbezogen und dem Erhalt von Bestandsbauten Vorrang gegenüber Neubauten gegeben werden!

2) Entsprechend ist die nachhaltige Nutzung von Ressourcen bei Sanierung, Herstellung und Betrieb von Gebäuden deutlich stärker zu fördern!

3) Die Rückbaufähigkeit von Baukonstruktionen muss in den Gesetzeswerken und Förderrichtlinien im Sinne des Recyclings und zur Müllreduzierung berücksichtigt werden!

4) Die Ressourcenschonung und die Langlebigkeit von Baukonstruktionen dürfen nicht nur im Denkmalschutz ihren Niederschlag finden. Das tradierte Wissen über Bauformen, Konstruktionen und Materialien sollte im gesamten Altbaubestand Anwendung finden!

5) Bei der Bewertung von Baustoffen in der energetischen Bilanzierung ist auch ihre Wärme- und Feuchtespeicherfähigkeit zu verankern!

6) Altbewährte Prinzipien zur Energieeinsparung wie Strahlungswärme und Wärmezonierung dürfen bei der Bewertung der Energieeffizienz nicht mehr vernachlässigt werden!

7) Entsprechend sind Grundöfen mit ihrem hohen Strahlungswärmeanteil bei spar- und emissionsarmem Holzverbrauch in die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) mit einzubeziehen!

8) Die Nachhaltigkeit von nachwachsenden Bau- und Dämmstoffen muss einen höheren Stellenwert bekommen! Die aktuelle Begrenzung des Lambdawertes im BEG von Dachdämmstoffen auf 0,040 W/(mK) bei der Förderung von Einzelmaßnahmen bei Baudenkmalen und erhaltenswerter Bausubstanz ist nicht nachvollziehbar und kontraproduktiv, da sie viele nachhaltige Dämmstoffe ausschließt.

9) Bei der Förderung gemäß BEG muss der Fokus wieder verstärkt auf die Gebäudehülle statt auf die Haustechnik gelegt werden!

10) Der bürokratische Aufwand für die Energieberatung muss deutlich gesenkt werden. Daneben müssen zusätzliche Beratungsstrukturen zum besseren Verständnis von Bestandsbauten (wie Monumenten- und Baukulturdienst) aufgebaut bzw. gestärkt werden!

Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V.

Manfred Röver, IgB

Artikel: Klimaschutz ist mehr als Wärmedämmung

Lesen Sie auf dieser Seite auch einen Holznagel-Artikel von Manfred Röver zum Thema hier...

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