Mit neuesten Forschungsergebnissen werden wir dann den baulichen Besonderheiten der Häuser im Schwarzwald nachgehen sowie den Herausforderungen bei der Erhaltung dieser gigantischen Gebäude. Und wir lösen das Schwarzwaldhaus vom weit verbreiteten Klischeebild des idyllischen Postkartenmotivs mit Talblick, das untrennbar mit der Kuckuksuhr, dem Bollenhut und der Kirschtorte verbunden ist.
Im Südwesten von Baden-Württemberg gelegen, ist der Schwarzwald das größte und zugleich höchste zusammenhängende Mittelgebirge in Deutschland. Im Westen an die Oberrheinische Tiefebene grenzend, umfasst er zwischen Karlsruhe, Basel, dem Bodensee und Stuttgart gelegen, eine Fläche von etwa 6.000 Quadratkilometern. Die Schwarzwaldhäuser entstanden meist in Einzellagen, dicht an die Berghänge gebaut. Ihre Besonderheit: die tief hinuntergezogenen Dächer, unter denen die Baukörper fast zu verschwinden scheinen. Durch diese Konstruktionsweise halten sie dem sturm- und schneereichen Klima der Berglandschaft stand.
Häuser wie diese sind in anderen Regionen nicht zu finden. Und dennoch: DAS Schwarzwaldhaus gibt es nicht. Unter den riesigen Dächern, die als Vollwalm oder als Dreiviertelwalm ausgeführt sein können, entfaltet sich – je nach Region und Entstehungszeit – eine Vielfalt an Konstruktionsweisen. So gibt es Schwarzwaldhäuser mit und ohne Firstständer sowie mit stehendem oder liegendem Dachstuhl. Daneben kann die auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen angepasste sowohl eingeschossig als zweigeschossig organisiert sein.
In der Forschung haben sich entsprechend auch verschiedene Ansätze entwickelt, die Schwarzwaldhäuser in jeweils unterschiedliche bautypologische Gruppen einordnen.
Die Entwicklungsgeschichte der Schwarzwaldhäuser lässt sich durch die nur spärlich überlieferten schriftlichen und baulichen Quellen nur schwerlich von ihrem Ursprung her nachzeichnen und die erhaltenen Häuser geben wenig Auskunft über ältere Hausformen.
Es gibt jedoch bestimmte Merkmale, die bei allen Schwarzwaldhäusern übereinstimmen: Insbesondere das tief – oft bis zum Boden – hinuntergezogene Dach, das mit Schindeln oder Stroh bedeckt war und im Sommer vor Hitze und im Winter vor Schnee, Wind und Kälte schützt. Dach, Wände und Böden sowie die tragende Konstruktion bestehen hauptsächlich aus standortnahem Holz. Daneben kamen Buntsandstein, Granit, Stroh und Lehm zum Einsatz. Schwarzwaldhäuser sind Eindachhäuser. Unter ihren mächtigen Abdeckungen bergen sie die Wohnräume der Landwirtfamilie, der Knechte und Mägde, die allerdings den geringsten Teil des Hauses in Anspruch nehmen. Vor allem bieten sie ausreichenden Platz für das Vieh und die Ernte. Im Dachraum lagerte das Heu, mit dem die Tiere im Winter versorgt wurden. Im Verlauf der Entwicklung erwies es sich als vorteilhaft, das Heu über eine Rampe oder eine Erdaufschüttung direkt in den Dachraum einzufahren. Es musste also nicht, wie wir es vom Haubarg – unser Bauernhaus des Jahres 2021 – kennen, von unten nach oben gestemmt werden. Vom Dachraum aus konnte es dann durch eine Luke in den darunterliegenden Stall mit wenig Kraftaufwand abgeworfen werden.
Die frühesten erhaltenen Schwarzwaldhäuser gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Erschlossen wurde die Region allerdings schon viel früher, gegen Ende des 11. Jahrhunderts, als die bis dahin noch unberührten Hochlagen nach und nach gerodet wurden. Die Besiedlung des Schwarzwaldes erfolgte, indem Adel und Klöster die Rodungsbauern mit Land zur Bewirtschaftung belehnten. Sie übertrugen einen Streifen Land, der vom Gebirgskamm hinunter ins Tal und wieder bis zur gegenüberliegenden Höhe reichte, sodass alle Lagen in einem Lehen gleichmäßig verteilt waren. Die anfangs ausgegebenen Lehen dürften den Lebensunterhalt einer Bauernfamilie kaum gedeckt haben, sodass im Spätmittelalter einzelne Parzellen zusammengelegt wurden. Diese größeren und ertragreicheren Lehensgüter führten zu einem Erstarken der bäuerlichen Betriebe und bilden den Ausgangspunkt für das Erscheinungsbild des heutigen Schwarzwaldes als Kulturlandschaft.
Mit der Industrialisierung und dem Strukturwandel in der Landwirtschaft, spätestens jedoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, fielen die Schwarzwaldhäuser weitgehend aus der landwirtschaftlichen Nutzung heraus, weshalb ihr Bestand insbesondere seit den 1950er-Jahren bedrohlich zurückging. Die bäuerlichen Betriebe vergrößerten ihre Viehbestände, wodurch mehr Raum benötigt wurde, zusätzlich wurden die wirtschaftliche Abläufe weiter mechanisiert. Daneben änderten sich die Ansprüche an den Wohnraum, sodass vielerorts massive und die originale Bausubstanz schädigende Eingriffe vorgenommen wurden. Und schließlich führten mangelnde Bauunterhaltungen sowie Brände, durch Fahrlässigkeit oder durch Brandstiftung herbeigeführt, dazu, dass viele Schwarzwaldhäuser komplett verschwanden.
Beim Schwarzwaldhaus wird es in der Zukunft weiter darum gehen, das
wertvolle baukulturelle Erbe mit großer Rücksicht auf die originale
Bausubstanz zu erhalten und die Herausforderung zu meistern, die
großvolumigen Bauten entsprechend nachhaltig zu nutzen und an
nachfolgende Generationen zu übergeben, die dieses Vermächtnis
weiter pflegen. Ausgewählte Beispiele werden wir im Rahmen des
Bauernhausjahres 2025 kennenlernen.
Hauptakteure des Bauernhaus des Jahres sind im nächsten Jahr die IgB-Mitglieder aus der weiteren Region in Baden-Württemberg selbst. Mit dem Bauernhaus des Jahres will die IgB insgesamt mehr Interesse und mehr Wertschätzung für regionaltypische Architektur erreichen. 2025 ernennt unser Verein bereits zum achten Mal einen ländlichen Haustyp zum Bauernhaus des Jahres. Nachdem bereits Spreewaldhaus, Jurahaus, Umgebindehaus, Haubarg, das Vogelsberger Einhaus, das Niederdeutsche Hallenhaus und der Altenburger Vierseithof als Bauernhaus des Jahres gewürdigt wurden, wird es 2025 darum gehen, ein Bewusstsein für das Schwarzwaldhaus und seine baulichen Besonderheiten in eine breite Öffentlichkeit zu vermitteln.
Mehr zum Schwarzwaldhaus, dem Bauernhaus des Jahres 2025, gibt es in Holznagel-Ausgabe 1|2025. Die Regionalausgabe zum Schwarzwald. Zeitgleich erscheint hier auf unserer Internetseite das Programm für das Frühjahrstreffen, das vom 25. bis 27. April stattfindet, inkl. der Festveranstaltung für das Schwarzwaldhaus sowie alle Informationen und das Anmeldeformular.
Julia Ricker
• Burghard Lohrum: Firstständer und Schild. Zwei uralte Merkmale des südlichen Schwarzwaldhauses, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2 (2014), S. 132–136.
• Burghard Lohrum: Das Schwarzwaldhaus. Typologische Vielfalt oder typologische Einheit?, in: Bauernhausforschung in Deutschland und der Schweiz, hrsg. v. Arbeitskreis für Hausforschung, Petersberg 2018, S. 11-22.
• Hermann Schilli: Das Schwarzwaldhaus, Stuttgart 1953.
• Ulrich Schnitzer: Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft von Morgen, hrsg. v. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Arbeitshefte Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Bd. 2, Stuttgart 1989.