Im Vorfeld der Änderung des Denkmalschutzgesetzes
von Baden-Württemberg wurde die IgB von den Abgeordneten Barbara
Saebel (Grüne) und Tobias Wald (CDU) zur „Anhörung für eine
zukunftsfähige Denkmalpolitik“ eingeladen, um dort ihre Expertise einzubringen. Möglich war auch
eine schriftliche Stellungnahme zu in der Einladung formulierten
Fragen vorab. Diese wurde von einer Gruppe von fünf IgB-Mitgliedern
aus Baden-Württemberg (Luise Lüttmann, Manfred Schmidt-Lüttmann,
Holger Friesch, Thilo Juhnke-Wild und Christiane Möller) sowie der
IgB-Geschäftsführung gemeinsam erarbeitet. Die Stellungnahme finden Sie hier...
Über die Anhörungsveranstaltung am 26.09. 2022 soll später noch berichtet werden.
Zur Vorbereitung der Stellungnahme wertete die IgB-Gruppe die verfügbaren Informationen aus (Einladungsschreiben, Koalitionsvertrag Grüne und CDU von 2021, Internetseite von MdL Barbara Saebel, neuere Verordnungen zum Denkmalschutz in BW, Berichte des Landtags, PV-Richtlinie u.a.). Hier einige wesentliche Ergebnisse der Auswertung:
Das Denkmalrecht soll modernisiert werden, „um Öffentlichkeitsarbeit, Klimaschutz und zeitgemäße Nutzungen denkmalverträglich zu ermöglichen“.
Denkmalschutz konkurriert mit gesellschaftlichen Zielen wie Klimaschutz.
Die Installation von PV-Anlagen und Solarthermie soll grundsätzlich auch auf denkmal-geschützten Häusern ermöglicht werden.
Denkmalgeschützte Gebäude werden (erst) durch PV-Anlagen nachhaltig.
Klimaschutz soll im Denkmalschutzgesetz verankert werden.
Innerörtliche Abbrüche alter Bausubstanz ohne Entwicklungspotential sollen höher gefördert werden.
Die IgB hält die Aussagen zum großen Teil für eine Ansammlung von populären Vorannahmen, die es erforderlich machen, vor der Stellungnahme zu den Fragen zunächst das Verhältnis von Baudenkmalen und Klimaschutz grundsätzlich zu erörtern.
Aus Sicht der IgB sind Baudenkmale bereits ohne Klimaschutzertüchtigung Leuchttürme des Klimaschutzes, denn das entscheidende Kriterium ist nicht die Energieeffizienz, sondern die Lebensdauer der Bauwerke. Der lange Lebenszyklus oft über Jahrhunderte spart mehr Ressourcen ein, als das bei Neubauten je möglich wäre. Die nachhaltige Substanzerhaltung durch eine sinnvolle und denkmalverträgliche Nutzung – nicht die immobilienwirtschaftliche Verwertung von Baudenkmalen – ist der beste Denkmal- und Klimaschutz. Der entscheidende Beitrag von denkmalgeschützten Gebäuden zum Klimaschutz liegt in ihren Funktionen als Vorreiter, als Reallabore der Bauwende und als Vorbilder für Bestandsgebäude, nicht dagegen in ihrem in der Summe unbedeutenden Beitrag zur Energieeinsparung. Denn denkmalgeschützte Gebäude machen lediglich ca. 3% des Baubestands aus und spielen in dessen Energiebilanz nur eine vernachlässigbare Rolle. Die IgB kann nicht nach-vollziehen, warum die Klimaschutzpolitik des Landes ihre energetische Ertüchtigung für unabdingbar hält. Den fachfremden Belang Klimaschutz prioritär im Denkmalschutzgesetz zu verankern, ist deshalb völlig ungerechtfertigt. Dass es Bauherren und Bauträgern unbenommen ist, durch denkmalangepasste energetische Ertüchtigung einen zusätzlichen Beitrag zu Energieeinsparung und Heizkostenminimierung zu erbringen, ist selbstverständlich und bereits alltägliche Praxis.
Der in der politischen Diskussion zwar thematisierte, aber in seinen Konsequenzen meist völlig ausgeblendete Verlust an kulturellen und gestalterischen Qualitäten durch unsachgemäße Instandsetzung und manche Klimaschutzmaßnahmen ist nicht trivial. Gute Baukultur stärkt unsere Verbundenheit mit dem Ort, ermöglicht der Bevölkerung die Identifizierung mit ihrem Umfeld, fördert eine inklusive und solidarische Gesellschaft, wirkt Diskriminierung und Radikalisierung entgegen und unterstützt Integration wie auch Bürgerbewusstsein. Es gibt keine demokratische, friedliche und nachhaltige Entwicklung ohne Kultur. So entspricht gute Baukultur nicht nur funktionalen, technischen und ökonomischen Anforderungen, sondern auch sozialen und psychischen Bedürfnissen der Bevölkerung (Davos-Erklärung der europäischen Kulturminister von 2018).
Nicht das Öffnen der Schleusen durch einen strikten Vorrang des Klimaschutzes im Denkmalschutzgesetz, sondern Leitlinien für eine differenzierte Vorgehensweise ermöglichen gute Problemlösungen. Dazu zählen z.B. das Ausnehmen von Baudenkmalen und auch der nicht geschützten erhaltenswerten historischen Bausubstanz von starren energetischen Vorgaben, die unabdingbare Forderung nach der Beteiligung des Landesdenkmalamts im Einvernehmen bei der Entscheidung über Veränderungen oder Abbruch von Kulturdenkmalen, das Verbindlichmachen von gestalterischen Konzeptionen (auch z.B. die Freihaltung von erhaltenswerten Dachlandschaften von Photovoltaikanlagen), die konsequente Sanktionierung von Verstößen, die Pflicht zur Erstellung von Gesamtökobilanzen (incl. Gesamtenergiebilanzen). Für die regionale und untere Ebene wäre eine Unterstützung durch Netzwerke aller Akteure hilfreich, in denen auch die restauratorische Fachhandwerkerschaft vertreten sein sollte. Denkmalschutzbehörden müssen hierfür eine verstärkte Bewusstseinsbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben können. Um all diese Aufgaben zu bewältigen, müssen die Denkmalschutzbehörden personell gestärkt und Mechanismen gefunden werden, sie vor entgegenstehendem politischen Druck besser zu schützen.
Die Förderpraxis muss vereinfacht werden, und eine Beratung bei der Antragstellung sollte obligat werden. Die Förderanreize in Sanierungsgebieten und bei Baudenkmalen gehen oft in die falsche Richtung: zu niedrige Raten für Erhalt und Restaurierung, zu hohe Raten für Abriss. Die Aussagen des Koalitionsvertrags setzen diese falsche Schwerpunktsetzung fort und konterkarieren damit nicht nur die Anliegen des Denkmalschutzes, sondern auch des Klimaschutzes.
Hier regt die IgB u.a. landesweite Großprojekte zu Photovoltaik-Anlagen über Parkierungsflächen an, die viele Synergien vereinen und die teuren wie anfälligen Anlagen auf historischen Dachlandschaften mehrfach überkompensieren können.
Im Forschungsfeld Denkmalschutz/Klimaschutz sind noch viele, bisher kaum absehbare Erkenntnisse zu erwarten. So ist die Bedeutung einer guten Baukultur für Bevölkerung und Touristen zwar allgemein bekannt, aber kaum erforscht. Auch Gesamtöko- und -energiebilanzen müssen stärker erforscht werden, um zu differenzierteren Entscheidungen bei Gebäuden insgesamt zu gelangen.
Die IgB begrüßt die in der Veranstaltung liegende Chance des Einstiegs in einen offenen Prozess, der über „die Weisheit der Vielen“ das Finden von Problemlösungen ermöglichen könnte, die den Denkmalschutz nicht weiter schwächen, sondern stärken. Die Vertreterinnen und Vertreter aus Baden-Württemberg stehen dabei mit ihrer Expertise gerne zur Verfügung.
Hier können Sie die Stellungnahme der IgB-Gruppe herunterladen.
Luise Lüttmann, Manfred Schmidt-Lüttmann, IgB