Sie kennen Iphofen? Wenn nicht, dann hilft google gerne weiter: es handelt sich um ein unterfränkisches Städtchen mit gut 4.500 Einwohnern im Landkreis Kitzingen, das durch den Weinbau zu überregionaler Bedeutung gelangt ist. Eine gut erhaltene mittelalterliche Stadtbefestigung und eine attraktive Altstadt machen Iphofen zu einem beliebten touristischen Ziel. Außerdem ist hier auch der Sitz der Firma Knauf, die vermutlich jedem von uns geläufig ist, aber deren Produkte für IgB‘ler und ihre typischen Bauvorhaben bekanntermaßen eher ungeeignet sind.
Das Besondere und Vorbildliche an Iphofens Baupolitik, den Stadtkern betreffend, durfte ich bei einer Exkursion mit der Initiative „ProAltstadt Dinkelsbühl“ erleben, zu der auch die IgB-Kontaktstelle Dinkelsbühl gehört. ProAltstadt Dinkelsbühl ist sicherlich vielen IgB‘lern durch ihre erfolgreiche Vorgehensweise gegen das geplante Outletcenter im spätmittelalterlichen Stadtkern vertraut. Die Aktionsgruppe beteiligt sich auch nach ihrem Erfolg weiterhin rege an den politischen Prozessen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der „schönsten Altstadt Deutschlands“, wie der Focus titelte, und sie mahnt eine transparente Politik an.
Um weiteren Input für die Arbeit in Dinkelsbühl zu bekommen, hatte man sich auf den Weg nach Unterfranken gemacht und Iphofens beratender Stadtplaner Franz Ullrich nahm sich viel Zeit, um im Rahmen eines Rundgangs ausführlich über die erfolgreich praktizierten Strategien der Stadt zum Thema Innenentwicklung zu berichten. Über den Tellerrand schauen war also angesagt, um Impulse für die Heimat zu gewinnen. Voranschicken möchte ich noch, dass man in Iphofen qualitativ hochwertige Neubauten auch im Stadtkern durchaus begrüßt, hier ist die Symbiose aus Alt und Neu gewünscht, eine Gestaltungssatzung gibt die Richtung vor.
Wenn man das Geheimnis des Erfolgs Iphöfer Baupolitik knapp zusammenfassen will, dann ließe es sich auf diese wenigen Punkte reduzieren: intensive Kommunikation, klare Vorgaben und dabei die Bereitschaft zu Kompromissen und Transparenz in den Entscheidungen. Ganz banal eigentlich! Seit über drei Jahrzehnten sind das die Instrumente, mit denen man den Ortskern erfolgreich entwickelt, indem Altes saniert und Neues in hoher gestalterischer und handwerklicher Qualität gebaut wird. Noch bevor Sanierungs- oder Bauwillige sich tiefer mit ihrer angedachten Baumaßnahme auseinandersetzen, wird in Gesprächen mit allen am Planungs- und Genehmigungsprozess Beteiligten der Rahmen des Gewünschten und Möglichen abgesteckt, um gemeinsam zu einer guten Lösung für den Bauherrn, aber auch für das Stadtbild Iphofens zu kommen. Sicherlich bisweilen ein langwieriges Unterfangen, bei dem keiner als Verlierer vom Platz gehen und die Altstadt immer gewinnen soll. Man baut ja schließlich nie nur für sich alleine, sondern ist ein Teil des großen Ganzen, ein Umstand, den viele gerne außer Acht lassen und auf den ich später noch einmal zurückkommen werde.
Interessant war es zu erfahren, dass man sich in Iphofens historischem Zentrum auch wirklich kleiner „Baumaßnahmen“ annimmt, die einem nicht sofort ins Auge springen, die aber trotzdem immer auch Bestandteil des Stadtbildes sind. In dem uns gezeigten Fall war es das Geländer über einer als Balkon genutzten Garage jüngeren Datums. Gemeinsam wurde mit dem Besitzer um ein neues, ansprechendes Holzgeländer von knapp vier Metern Breite gerungen. Das Ergebnis ist unaufgeregt, aber wertig und solide. Eine gute Alternative zu den auf dem Markt angebotenen Standardlösungen. Besonders bemerkenswert fand ich den Umgang mit Befreiungen von der Gestaltungssatzung. Auch die gibt es hier, aber nicht inflationär. Eine differenziert formulierte Begründung trägt dazu bei, dass eine gewährte Ausnahme nicht beliebig auf andere Maßnahmen übertragbar ist. So sollte es auch sein. Aus den Gemeinderatssitzungen meiner eigenen Gemeinde kenne ich, dass Befreiungen vom Bebauungsplan einfach durchgewinkt werden. Weil man einmal etwas erlaubt hat, muss man das auch weiterhin tun. Und sollte es passieren, dass sich ein Bauherr bei der Planung seines Häuschens an die Vorgaben gehalten hat, dann stutzt man im Gemeinderat. Man fragt sich, ob der Bauwillige vielleicht nicht informiert sei, dass man sich gar nicht an die Regeln halten muss, sondern eigentlich machen kann, was man möchte. Verkehrte Welt, und so sehen dann auch die Neubaugebiete aus, meistens jedenfalls.
Die Erschließung neuer Baugebiete in Iphofen und vor allem die Haltung des Bürgermeisters in dieser Sache, war jetzt über Wochen der große Aufreger in der Tagespresse, inklusive heftigster Reaktionen im Internet. Der anhaltenden Niedrig-zinspolitik geschuldet, ist auch hier die Nachfrage nach Baugrundstücken groß, das Angebot aber begrenzt. Um der knappen Ressource gerecht zu werden, hat man sich, allen voran der Bürgermeister, zu einen Paradigmenwechsel entschieden: Qualität statt Quantität beim Bauen! Es sollen kaum mehr Abweichungen vom Bebauungsplan zugelassen werden, ggf. müsse man woanders bauen, wenn man sich mit den Vorgaben nicht arrangieren kann. Die regionaltypische Bauweise soll wieder das Bild der Baugebiete beherrschen. Die Diskussion wird in der Bevölkerung sehr heftig geführt, weniger Pragmatismus angemahnt. Aber in Iphofens Verwaltung ist man sich offenbar seiner Sache sicher, auch wenn ein Leserbriefschreiber vermerkt, es sei eine „Unverschämtheit der Gemeinden, die sich erdreisten, die größte Investition einer Familie zu bevormunden“.
Fazit: Am Beispiel Iphofens wird klar, dass es sich lohnt, miteinander zu reden und gemeinsam im offenen Dialog um gute Lösungen zu ringen. Das Stadtbild in der historischen Altstadt offenbart, wie zielführend diese Vorgehensweise ist. Wie sich aber die Diskussion im Bezug auf die noch zu bebauenden freien Bauplätze entwickeln wird, bleibt offen. Aber immerhin ist man sich der begrenzten Ressource „Bauland“ bewusst und strebt einen verantwortungsvollen Umgang damit an. Hoffentlich gelingt es auch in diesem Fall, die Menschen im Gespräch für regionaltypisches Bauen zu sensibilisieren, um der begrenzten Ressource „Bauland“ gerecht zu werden.
Es wäre wünschenswert, wenn es viel mehr solcher Bürgermeister/innen gäbe, die so konsequent Baupolitik im Dialog mit den Bewohnern betreiben – viele unserer Städte hätten ein anderes, authentischeres Gesicht. Der Iphöfer Bürgermeister wird übrigens zur nächsten Kommunalwahl nach 30 Amtsjahren nicht mehr antreten.
Ulrike Bach, IgB