Die Pole schmelzen, die Energiepreise schnellen ins
Unermessliche, und an jeder Ecke wird zum Umweltschutz aufgefordert. Neue, hochgedämmte
Bauten erfüllen diese Forderungen, so scheint es zumindest, am ehesten.
Schlechte Aussichten für viele alte Häuser. Ihre Erhaltung passt nicht
so richtig in diese Entwicklung. So manche Stimme rät, „den alten Mist einfach abzureißen und etwas Vernünftiges, Neues, an
seine Stelle zu setzen“.
Die Interessengemeinschaft Bauernhaus mutet da fast wie das
widerspenstige gallische Dorf in den Asterix-Comics an, das sich gegen
die Römer stellt. Die Mitglieder leben größtenteils in Altbauten, und das nicht aus Verlegenheit, sondern aus Leidenschaft
und Überzeugung. Wohnen in alten Gemäuern heißt nicht automatisch,
Energie zu verschwenden.
Alte Häuser haben mehr Charme - Neubauten sind oft gesichtslos
Die genauen Bestandszahlen der Altbauten in
Deutschland herauszufinden, ist keine leichte Aufgabe. Ab wann gilt ein
Bau als Altbau – muss er 50, 100 oder 300 Jahre alt sein, um als solcher
bezeichnet zu werden? Außerdem verschwinden täglich unzählige alte
Häuser, Häuserzeilen und Höfe, eine dauerhaft gepflegte Kartierung
existiert nicht.
Im IgB-Sinne sollten alte Häuser über ein authentisches Gesicht und über Gebrauchsspuren verfügen. Ihre Geschichte sollte sich in
den baulichen Veränderungen, die der Funktionalität geschuldet waren, erahnen. An ihrem Erscheinungsbild lässt sich etwas über die
Region, über Menschen, über die Ursprünge ablesen. Die vielen
ehemaligen Gutsdörfer in der Mark Brandenburg beispielsweise erzählen
die Geschichte der Besiedelung des Ostens. Dort fanden sich jeweils ein
Herrenhaus, ein dazugehöriger Gutshof und die vielen kleinen
Landarbeiterkaten. Große Höfe wie in Westfalen gab es dort kaum, weil
der Osten in mehreren Wellen besiedelt wurde. Entsprechend fand sich
dort keine langsam gewachsene Struktur.
Nun jedoch unisono zu behaupten,
alle Neubauten seien im Vergleich zu den denkmalwürdigen Bauwerken
gesichtslos, ist nicht haltbar. Natürlich hat moderne Architektur auch
Wunderbares erschaffen. Die neueren Bauten sind energetisch auf dem
neuesten Stand und äußerst funktional, modern eben. Die Masse der vielen
Neubaugebiete jedoch lässt an Charme vermissen und weckt meist keine
Neugier oder einfach gute Gefühle mit ihrem Erscheinungsbild.
Energetisch ertüchtigter Altbau schneidet besser ab als Neubau
Es finden sich nur wenige Berechnungen, die
Altbauten und Neubauten in einer Gesamtenergiebilanz untersuchen. Es ist
ein wenig wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen, da sich die
Herstellungs- und Nutzungsbedingungen stark unterscheiden. Thomas Will von der Technischen Universität Dresden hat sich in seinem
Aufsatz „Sparen und Bewahren – Ökonomie und Ökologie am Baudenkmal“
(2006) sehr erhellend mit der Materie auseinandergesetzt. Er
steckt die wichtigsten Eckpunkte mit Hilfe von fünf Thesen ab, die alle
zu besprechen den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Deswegen
werden einige markante Fakten herausgegriffen. Es ist zunächst
interessant, wo ein Gebäude steht. In dicht bebauten städtischen
Quartieren ist der Energieverbrauch um ein Vielfaches geringer als in
der ökologischen Mustersiedlung im Grünen. So verbrauchen in den USA
Städter nur halb so viel Elektrizität wie Bewohnende der Außenbereiche.
Die Stadt New York mit ihren 8 Millionen Menschen hat zwar den weltweit
höchsten Energieverbrauch auf die Grundfläche bezogen. Würde die Stadt
jedoch als Staat gewertet, läge ihr Energieverbrauch pro Kopf unter den
amerikanischen Bundesstaaten an 51., also letzter Stelle (2004). Hier
findet sich also ein Beispiel für energiesparenden Städtebau als
Ergebnis der Dichte, so Will. Viele Menschen leben
übereinander und nebeneinander auf dichtem Raum und sparen einfach nur
dadurch Energie.
Sehr viele der Altbaubestände in Deutschland sind
kaum gedämmt und gelten als Energieschleudern. Dabei wird ein wichtiger
Aspekt meist vollkommen unberücksichtigt gelassen. Sie sind im Gegensatz
zu den Neubauten bereits gebaut worden. Das wiederum heißt Vermeidung
„von neuem Erschließungs- und Infrastrukturaufwand und Einsparung von
Primärenergie bei der Herstellung neuer Bauten.“ Will vergleicht in
einer Berechnung einen unsanierten Altbau, einen energetisch
ertüchtigten Altbau und einen Neubau nach der EnEV. Die differenzierten
Berechnungen finden sich im entsprechenden Tagungsband und können hier
nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Fazit ist jedoch, dass der
energetisch ertüchtigte Altbau unter Einberechnung des
Primärenergiegehalts des Bestands dem Neubau gegenüber 53 Jahre lang
energetische Vorteile bietet. Rechnet man die Einsparung neuer
Erschließung hinzu, erhöht sich der Wert noch deutlich.
Alte Häuser sind keine Energieverschwender
So ist sich Thomas Will sicher: „Wer im behutsam
modernisierten Gründerzeithaus in der Stadt wohnt, trägt auf jeden Fall
mehr zur Energieeinsparung bei als der stolze Besitzer eines
supergedämmten Hauses in der ökologischen Mustersiedlung im Grünen.“
Außerdem stehe energiesparender Denkmalschutz in einer langen Tradition
der Gebäudemodernisierung. Häuser, die teilweise schon Hunderte Jahre
alt sind, wurden immer den menschlichen Bedürfnissen mithilfe neuer
technischer Ausrüstung angepasst. Die Häuser sind oft viel älter als die
jeweilige zeitgemäße technische Ausrüstung, weswegen diese immer
reversibel angelegt sein sollte. Gerade im Küchen- und Bäderbereich
sowie bei der Heiztechnik haben viele der alten Häuser schon so einiges
in sich geborgen. Das Spektrum reicht von der Schwarzen Küche bis zum
heutigen Induktionsherd, vom Holzofen bis zur mit Solartechnik
betriebenen Wandheizung.
Die Ansicht, dass Baudenkmäler große
Energieverschwender darstellen, stellt Will in Frage. „Für die Mehrzahl
der Denkmale gilt jedenfalls: als man sie erbaute, lebte man sparsamer
als heute. Man heizte weniger, noch viel weniger (nicht-regenerative)
Energie aber verbrauchte man in anderen Bereichen, etwas im Verkehr und
der Industrie.“ Der Energieverbrauch sei seither stark gestiegen, je
nach Quelle um das 50-100fache seit 1800, oder um das 5 bis 10-fache pro
Kopf. Entscheidend, so Professor Will, ist jedoch, dass der Verbrauch
vor allem im Bereich der Baulanderschließung und der Baustoffproduktion
gestiegen sei – Kosten, die, wie bereits erwähnt, bei den
Altbaubeständen gar nicht mehr anfallen.
Der Behauptung also, die Altbaubestände seien an
sich Energieschleudern, lassen sich einige bedenkenswerte Argumente
gegenüberstellen. Wenn Altbestände und Neubauten mithilfe einer
Gesamtenergiebilanz verglichen würden, fiele die bisherige Bewertung
anders aus. Prof. Will weist in seinem Beitrag auch deutlich darauf hin,
dass bei den Denkmälern Energie eingespart werden soll, während
Flugbenzin nach wie vor mit Steuerermäßigungen subventioniert werden.
„Es wäre weder den Denkmalen noch der Umwelt gedient, wenn man an der
volumenmäßig kleinen, fragilen und für die Gesamtenergiebilanz eher
marginalen Gruppe der Baudenkmale massiv eingreifen würde, um hier,
quasi an den physisch schwächsten Gliedern, ein Exempel zu statuieren,
weil man es bei den großen Energiekonsumenten nicht kann oder will.“
Viel Platz
Die Wohnbedürfnisse von westeuropäischen Menschen
haben sich in den letzten 30 bis 40 Jahren radikal verändert. Wohnte
noch in den 60er- und 70er-Jahren eine sechsköpfige Familie „ganz normal“
auf 90 Quadratmetern, beanspruchen heute viele Singles oder „dinks“
(double income no kids – ein Paar mit doppeltem Einkommen ohne Kinder)
allein diesen Raum. Obwohl die Bevölkerung in Deutschland schrumpft,
steigt der Flächenverbrauch für Wohnzwecke weiter. Familien mit Kindern
zieht es häufig in die Neubaugebiete. Bedingt durch die steigenden
Quadratmeterpreise für Bauland reicht das Budget dann oft nur noch für
einen kleinen Garten. Aufgrund der Enge ist die Anbindung an die
Nachbarn garantiert. Vielen kommen kleine, pflegeleichte Grundstücke
entgegen, weil sie aus unterschiedlichsten Gründen keine Zeit oder kein
Interesse an umfänglicher Gartenarbeit haben.
Auf die Nutzer der Gebäude sehen
Wolfgang Riesner, Architekt im Mindener Raum mit
Schwerpunkt Altbausanierung und zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender der IgB, findet: „Wer den Gebäudebestand und auch
die Baudenkmale erhalten will, sollte vor allem auf die Nutzer der
Gebäude sehen. Sie wollen Häuser mit geringen Betriebskosten. Wenn ich
ihnen keine entsprechenden Lösungen anbiete, werden Altgebäude zunehmend
weniger gefragt. Dann tendiert ihr Marktwert gegen Null, es wird immer
weniger in ihre Unterhaltung investiert. Die Folgen sind absehbar.“
Der Architekt vermittelt zunehmend mehr Familien auf leerstehende alte Höfe. „Das
Grundstück ist meist riesig, preiswert und vor allem nicht so zugebaut.
Häufig rechnet es sich für Familien, ihr Geld in die fachgerechte
Sanierung inklusive einer vernünftigen Dämmung eines solchen Objekts zu
stecken“, erklärt er. Alte Häuser haben oft Qualitäten, die bei neuen
Häusern kaum herstellbar sind. Menschen, die diese Qualitäten schätzen,
sind in der Regel mit der Sanierung eines alten Hauses besser beraten,
als mit dem Versuch, Gleiches in einem Neubau zu verwirklichen. Weil
alte Häuser so unterschiedlich und die in ihnen steckenden Qualitäten so
breit gefächert sind, können Menschen unterschiedlichster Bedürfnisse
in ihnen „glücklich“ werden. „Wenn wir ihnen dann noch erklären, wie sie
ihr Traumhaus behutsam restaurieren, angemessen modernisieren und
energetisch ertüchtigen können, ohne dabei seinen Charme und die inneren
Werte zu verlieren, haben alte Häuser auch weiterhin eine
„Überlebenschance“. Natürlich kommt es auch auf die jeweilige Lage an.
Wenn die nächste Bushaltestelle oder der Bahnhof zu weit weg sind,
müssen Vor- und Nachteile gründlich miteinander abgewogen werden. Ein
weiterer Vorteil dieser alten Häuser oder Höfe besteht darin, dass sie
ja bereits seit langer Zeit ihre Haltbarkeit bewiesen haben.
"Ach, so geht das!"
An der Frage, wie stark und umfänglich alte
Bausubstanz verändert werden sollte, scheiden sich häufig die Geister.
Auch innerhalb der IgB bestehen dazu unterschiedliche Ansichten. Es gibt
viele (IgB-)Anwesen, die mit modernster Technik und Dämmung
ausgestattet und dennoch behutsam denkmalgerecht saniert sind.
IgB-Mitglied (und IgB-Kontaktstelle Oder Spree-Kreis) Hans-Jürgen Rach, ehemaliger Leiter einer Denkmalbehörde, hat seinen
kleinen Lehmkaten im ländlichen Raum Berlins „selbstverständlich mit
modernen sanitären Anlagen ausgestattet“ und die Fassade des Hauses
wieder mit Lehm saniert. Um mehr Leute zu animieren, ihre alten Häuser
nicht abzureißen, sondern modern in dem alten Haus zu leben, hat er in
seiner Zeit als Denkmalpfleger immer wieder sein eigenes Haus geöffnet,
um zu zeigen, wie es gehen könnte. Mit gutem Erfolg, denn viele der
Ratsuchenden waren erstaunt: „Ach, so geht das, und so kann man das auch
machen. Das sieht ja gut aus!“. Wichtig seien jedoch auch die richtigen
Handwerker, denn viele hätten gar keinen Bezug zur alten Bausubstanz
und ihren Erfordernissen. Manchmal müsse nur eine Schwelle, einige
Balken oder einige der kaputten Dachziegel ausgetauscht werden.
Dafür sind neben einem entsprechenden fachlichen
Blick auch Kenntnisse der alten Handwerkstechniken nötig. „Man muss
überhaupt auf die Idee kommen, einfach nur einige Ziegel vom total
marode aussehenden Dach zu nehmen und sie durch alte, intakte Ziegel zu
ersetzen. Dazu muss ich wissen, wo ich solche alten Ziegel finde, und
dass es historische Baustoffbörsen gibt. Oder ich frage beim Nachbarhof,
wo gerade ein Stall abgerissen wird, ob ich die Ziegel bergen darf“,
erzählt Wolfgang Riesner. Die Wiedereindeckung von Dächern,
beispielsweise nach Reparatur des Dachwerkes oder Einbau eines
Unterdaches, mit ihren ursprünglichen oder anderweitig beschafften alten
Dachziegeln ist meist extrem geld- und immer energiesparend, so der
Altbauspezialist. Auch das Ersetzen von alten Balken, gerade in der
sichtbaren Fassade, muss gut gemacht sein. Früher wurden alle Balken von
Hand mit Axt und Säge bearbeitet, da könne nicht einfach ein Balken aus
dem Sägewerk hineingesetzt werden.
Viele alte Baubestände werden nur deshalb aus
Kostengründen abgerissen, weil Architektinnen und Architekten sowie die
Handwerkerschaft Kostenschätzungen für Sanierungen vorlegen, die im
Grunde einer Entkernung gleich kommen. Im Preis-Leistungs-Verhältnis
bedeutet das in der Regel für das in Frage stehende Gebäude als
vermeintliches Eurograb das „Aus“. In der IgB haben sich einige
Fachleute aus dem planenden und dem ausführenden Baugewerbe gefunden,
die einen anderen Blick auf diese Häuser haben. Sie wissen um alte
Techniken, teilweisen Austausch von Balken, Dachsparren, Dachziegel oder
Fußbodenbrettern, und können erkennen, ob beispielsweise ein
Schädlingsbefall am Holz regulierbar ist oder das Ende des Hauses
bedeutet.
Das Auge isst mit!
Alte Baubestände zu erhalten, ist nicht zuletzt auch
eine optische und zugleich ethische Frage. Sie sind kulturelles Erbe,
an ihnen lässt sich Bau- und mitunter auch Menschheitsgeschichte
ablesen. Zurzeit droht ihnen aufgrund der zu starren Regelungen der
Energieeinsparverordnung der Abfall in Belanglosigkeit. Im Zuge von
staatlich beschlossener Dämmung werden ganze Häuserfassaden „eingepackt“
und ihres Gesichtes beraubt. Heraus kommen, ähnlich wie in den
Neubaugebieten, gleich langweilig aussehende Häuserzeilen, an denen sich
statt Geschichte höchstens der Zeitpunkt der Umsetzung der
Energieeinsparverordnung ablesen lässt.
Sondermüll für künftige Generationen
Die Vielfalt der alten Häusergesichter, auf die
jüngere Staaten wie die USA oder Canada neidisch sind, verschwindet
hinter Fassaden aus Polystyrol. Und mit dieser Dämmung kommt eine
Vielzahl von Problemen, wie im Frühjahr 2012 ein 3-Sat-Beitrag
eindrucksvoll aufdeckte. Polystyrol ist in Deutschland zurzeit das
meistverwendete Dämmmaterial. Um ein Kilo des Stoffes herzustellen,
benötigt man 5 Kilo Erdöl. Die Platten werden, millimetergenau mit einem
Kunststoffnetz unterlegt, auf die Fassaden geklebt. Die Dämmung hält
maximal 30 Jahre, dann muss sie entfernt und ersetzt werden. Experten
fürchten, dass dann Berge von Sondermüll auf die nachfolgenden
Generationen zukommen. Zudem muss absolut exakt geklebt werden, denn
bleibt nur ein kleiner Spalt irgendwo, kann sich der Taupunkt der Wand
verändern und in der Folge kann Schimmelpilzbefall ins Haus einziehen.
Bereits etliche mit Polystyrol gedämmte Häuser haben mittlerweile
Probleme mit Schimmelpilzbefall. Besonders interessant sind in diesem
Zusammenhang laut 3-Sat-Beitrag Zahlen des Bundesbauministeriums. Sie
zeigen, wo bei Gebäuden die größten Einsparmöglichkeiten bestehen. Eine
unsanierte Doppelhaushälfte, Baujahr 1972, verliert 24 % durch die
Heizungsanlage, 22 % gehen auf Kosten der ungedämmten obersten
Geschossdecke. Die Außenwände fallen nur mit 14 % ins Gewicht. Und genau
an dieser Stelle stellt sich die Frage des ökologischen
Gesamtfußabdrucks einer Person.
Ökologischer Fußabdruck
Jeder Mensch verbraucht eine bestimmte Menge an
Energie. In der Schweiz wurde an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule Zürich (ETHZ) das energiepolitische Konzept der
2000-Watt-Gesellschaft entwickelt. Danach sollte auf Dauer der
Energiebedarf jedes Menschen der durchschnittlichen Leistung von 2000
Watt (vgl. Artikel siehe link unten)entsprechen, zurzeit beträgt der
Verbrauch pro Kopf in der Schweiz 6300 Watt. Menschen in
Entwicklungsländern verbrauchen pro Jahr nur einige hundert Watt. Die
Schweiz hat sich die landesweite Umsetzung der Ziele der
2000-Watt-Gesellschaft bis zum Jahr 2050 vorgenommen. 2010 begann der
Aufbau einer Fachstelle, die landesweit berät und von allen in Anspruch
genommen werden kann. In der Schweiz sind Gebäude für rund 45 % des
Primärenergieverbrauchs und für 40 % der gesamten CO2-Emissionen
verantwortlich. Hier liegen riesige Einsparpotentiale. Die
„Stadtstrukturelle Energiestudie Winterthur“, in Auftrag gegeben von der
Denkmalpflege Winterthur, analysiert vier typologisch unterschiedliche
Stadtbereiche hinsichtlich ihrer Energieverbräuche. Maßgeblich waren
zwei Fragen, a) wie hoch die Primärenergieverbräuche in den Quartieren
pro Quadratmeter Energiebezugsfläche und pro Bewohner liegen, und b) wie
die Ziele der „2000-Watt-Gesellschaft“ mit minimalinvasiven,
kompensatorischen und kostengünstigen Maßnahmen umgesetzt werden
können.
Veränderungen beginnen im Kopf
Es sind die fünf Bereiche Fahrzeug, Ernährung,
Wohnen, Mobilität und Freizeit, bei denen jeder und jede Einzelne mit
dem Energiesparen beginnen kann. Hier setzt die Fachstelle
„2000-Watt-Gesellschaft“ mit unzähligen Informationen und praktischen
Handlungsansätzen, die dort abrufbar sind, an. Lebe ich beispielsweise
mit meiner vierköpfigen Familie in einem alten ungedämmten Bauernhaus,
und drei Autos stehen auf dem Hof, habe ich zunächst einen hohen
Verbrauch (im Sinne der 2000-Watt-Gesellschaft). Ich könnte aber den
Pro-Kopf-Bedarf an Quadratmetern senken, indem ich Mieter in einer
Einliegerwohnung oder ausgebauten Tenne oder Scheune aufnehme sowie
partiell energetisch ertüchtigende Maßnahmen an der Gebäudehülle
vornehme. Oder indem ich nur noch zwei Mal die Woche Fleisch esse und
auf Flüge durch die Welt ganz verzichte. Veränderungen fangen im Kopf
an, und Zahlen können hierbei durchaus helfen. So stecken zum Beispiel
in einer Tasse Tee 35 Liter, einer Tasse Kaffee 140 Liter und einem Kilo
Rindfleisch 15.000 Liter Wasser, und zwar nur, um den jeweiligen
Rohstoff herzustellen. Natürlich müssen auch Staat und Politik ihren
Beitrag dazu leisten, und mit gezielten Maßnahmen auf diesen fünf
Feldern kurz-, mittel- und langfristige Veränderungen herbeiführen. Die
Schweiz hat jenen Weg unter Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger
sehr nachhaltig beschritten. Es bleibt abzuwarten, ob sie mit ihrer
Haltung eine europäische Leuchtturmfunktion einnehmen wird.
Wochenendhäuschen
Der ländliche Raum „fällt wüst“ – dieses
Schreckgespenst der demografischen Entwicklung bekommt immer mehr ein
Gesicht. In den großen ländlichen Räumen Niedersachsens,
Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsens wachsen die Leerstände, während die
Bevölkerung schrumpft. In diesem Zuge stehen auch viele kleine
Häuslingshäuser leer. Häuser, die sich vorzüglich als Wochenenddomizil
eignen und die preiswert zu kaufen sind. Werden sie nur als
Wochenendunterkunft genutzt, lässt es sich darin durchaus mit einfacher
Heizung, ungedämmtem Dach und alten Holzfenstern leben. Hier bestünde
nach Meinung der IgB gerade für in Städten lebende Menschen die
Möglichkeit, für sich (und die Familie) einen Platz auf dem Lande zu
schaffen. Die Häuser würden vom Verfall gerettet, weil sich jemand um
sie kümmert. Gleichzeitig werden sie ohne zu starke Eingriffe in ihrer
Originalität erhalten - eine klassische „win-win-Situation“. Wenn ein
solches Häuschen nur am Wochenende bewohnt wird, müssen nicht alle Räume
ständig auf 20 Grad temperiert sein. Und schneit es im Winter ein wenig
durch das Dach, ist das genauso verträglich wie ein nicht ganz modernes
Bad. Natürlich fallen durch die Hin- und Rückfahrt zum Wochenenddomizil
wiederum Fahrtkosten an. Alte Häuser retten und fast klimaneutral
bleiben zu können scheint nicht ganz möglich zu sein. Doch der Erhalt
dieser Hauslandschaften, die Identität stiften, stellt einen
gesellschaftlichen Wert an sich dar, der sich schlecht in „Euro und
Watt“ bewerten lässt.
Alte Stadt hat alles
Letztlich besteht noch die Frage, wie wir als
Gesellschaft, und als ausführendes Organ der Staat, mit den alten
Häusern umgehen. Gerade die Bauwerke, die nicht unter Denkmalschutz
stehen, aber in ihrer Vielfalt Geschichte, Regionalität und Heimat
darstellen, brauchen ein besonderes Augenmerk. Sonst sind in baldiger
Zukunft ganze Häuserlandschaften von der „menschlichen Festplatte“
getilgt, ohne Chance auf Wiederherstellung. Seien es nun die
leerstehenden Höfe und Gebäude im ländlichen Raum oder die unzähligen
Altbaubestände in strukturärmeren Städten – es müssen neue Konzepte her,
sie attraktiver zu machen. Dr. Stefan Winghart, Präsident des
Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, konstatierte unlängst
in einem NDR-Beitrag: „Eine alte Stadt hat alles, was Menschen zum Leben
benötigen: Erholung, Wohnen, Schule, Parken und Spielstraßen.“ Solche
Häuser bieten, so der Fachmann, eine individuelle Lösung zum Wohnen,
sind nicht „von der Stange“. Doch müssen die Menschen, und auch junge
Familien, bereit sein, in diesen Quartieren zu leben. Natürlich gibt es
bestimmte Einschränkungen. Ein 500 Jahre altes Fachwerkhaus kann und
wird zur Straßenseite hin keinen Balkon bieten. Aber es besteht, so Dr.
Winghart, die Möglichkeit, im Innenhof gegebenenfalls einen Balkon oder
eine Innenhofbegrünung für alle Bewohnenden umzusetzen. Es sei ein
Kompromiss, aber dafür seien die Wege zur Bewältigung des täglichen
Lebens zu Fuß machbar.
Es wäre durchaus möglich, so Heinz Riepshoff,
Landesbeauftragter für Niedersachsen der IgB, für eine Zeit keine
Neubaugebiete mehr außerhalb von Städten auszuweisen und nur noch den
Bezug von Altbauten zu fördern. „Wenn die einzige Chance, an ein Haus zu
kommen, der Kauf eines alten ist, würde sich das Bewusstsein der
Menschen schlagartig verändern. Es ist doch totaler Quatsch, dass in den
Dörfern sehr viele Scheunen leer stehen und gleichzeitig am Dorfrand
Neubaugebiete ausgewiesen werden. Hier besteht Umbaupotential!“ An
dieser Stelle hätte der Staat, wenn er denn wollte, ein
Lenkungsinstrument. Auch wenn der „ererbte Baubestand“ einige Mängel
habe, hat er doch auch bereits viele Bewährungsproben und Wandlungen wie
Heizungen und sanitäre Anlagen bestanden. Das müssen die vielen wie
Pilze aus dem Boden geschossenen hochgedämmten Neubaugebiete erst einmal
beweisen.
Es kommt jedoch, so Heinz Riepshoff, vor allem auf
die richtige Ansprache von Altbaueigentümern an, damit sie sich für die
Sanierung eines Gebäudes entscheiden, statt es zugunsten eines Neubaus
abzureißen. Hier fehlt es auch am „richtigen“ Blick der Planenden und
Ausführenden. Gerade viele Handwerker hätten verlernt, Holz für Fenster
so auszusuchen, dass es 100 Jahre hält oder es richtig zu streichen. Aus
dem Unvermögen einiger, so kritisiert der IgBler, wird geschlossen,
dass es gar nicht mehr möglich ist, solche Materialien herzustellen. Das
erlebten Oliver Rust und Malin Hansen beim Umbau ihres Hauses. Zwei
verschiedene Tischler waren nicht in der Lage, vorgezeichnete und zum
alten Haus passende Holzfenster zu erstellen. Schließlich machte sich
Oliver Rust selbst schlau und baute die Fenster mit sehr gutem Ergebnis
in Eigenleistung!
Es kommt für Menschen, die sich vorstellen können,
ein altes Haus oder einen alten Hof zu sanieren, darauf an, den
passenden Architekten oder die Architektin zu finden. Sie müssen
Erfahrung, Langmut und die Lust, mit der alten Materie zu arbeiten,
statt sie abzureißen, mitbringen. Das ist die gute Grundlage für einen
gelungenen Umbau. Unzählige IgB-Mitglieder in ganz Deutschland haben
diese Erfahrung gemacht, und sie geben diese Erfahrungen sehr gerne
weiter, öffnen seit fast 50 Jahren immer wieder ihre Häuser, um anderen Mut
zu machen. Sie alle sind sehr froh, kein Haus von der Stange, sondern
eines, das Geschichte atmet, zu haben, und sich für die Zeit, in der sie
dort leben, in diese Geschichte einzureihen.
Michaela Töpfer, IgB (†)
Fragen an Prof. Dipl.-Ing. Thomas Will, TU Dresden, Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege
Welche Rolle spielen die
fachgerechte Sanierung und damit auch der Erhalt der Gebäudealtbestände
in Deutschland innerhalb einer ökologischen Gesamtbilanz?
Wenn
wir den gesamten Altbaubestand ins Auge fassen – nicht nur die Denkmale
– haben wir es mit einer energiewirtschaftlich relevanten Größe zu tun.
Deshalb der politische Druck, hier den Energiebedarf zu senken.
Allerdings ist es falsch, wenn den Altbauten generell eine schlechte
Heizenergiebilanz unterstellt wird. Gerade die dichten urbanen
Gründerzeitquartiere schneiden da viel besser ab als ein Großteil der
jüngeren Einfamilienhäuser. Bei einer ökologischen Gesamtbilanz geht es
aber nicht nur um den Heizenergieverbrauch. Bezieht man die zur
Herstellung der Gebäude erforderliche Energie mit ein, so verbessert
sich die Gesamtbilanz zugunsten der Altbaubestände. In diesen ist diese
„graue Energie“ ja bereits eingespeichert, muss also nicht mehr neu
aufgewendet werden.
Auch in anderer Hinsicht schneiden Altbauten besser
ab, etwa bei der späteren Entsorgung. Ganz besonders gilt dies aber,
wenn man auch die Aufwendungen für die urbane Infrastruktur und für die
Mobilität einbezieht. Altbauquartiere bedeuten geringere Verkehrswege,
da sie im Vergleich mit Neubaugebieten dichter sind und näher am Zentrum
und an den ÖPNV-Trassen liegen.
Passen Denkmalschutz sowie der Erhalt von Altbauten überhaupt mit der energetischen Gebäudesanierung zusammen?
Dass
diese Frage zu bejahen ist, ergibt sich zum Teil aus dem vorher
Gesagten. Jedes weiter genutzte alte Gebäude trägt zur Reduzierung der
Energiebilanz im Bauwesen bei. Allerdings lässt sich dieser Beitrag bei
vielen Gebäuden noch erheblich steigern, indem sie angemessen
wärmeschutztechnisch ertüchtigt werden. Die Konflikte entstehen immer
daraus, dass für die relativ kleine Gruppe der Baudenkmale (3-5 % des
Baubestands) nicht all das angemessen ist, was für die viel größeren
Bestände des Wohn- und Gewerbebaus des 20. Jh. und der Einfamilienhäuser
(auf die der Hauptanteil des Heizenergiebedarfs geht) akzeptabel ist.
Bei den meist älteren und empfindlichen Denkmälern sollte man auf alle
Maßnahmen verzichten, die das überlieferte Erscheinungsbild oder die
historische Bausubstanz und -konstruktion beeinträchtigen würden. Der
insgesamt recht geringe Einsparungsgewinn würde hier meist die Verluste
nicht aufwiegen
Sie empfehlen, signifikante historische Baustrukturen quasi als Genpool zu nutzen. Was steckt hinter dieser Idee?
Mit
dem Bild vom „Gen-Pool“ wollte ich verdeutlichen, dass historische
Baustrukturen nicht nur schöne oder interessante Stadtbilder
überliefern, sondern auch lehrreiche strukturelle Charakteristika und
Erfahrungswissen. So musste man früher beim Bauen findiger mit Fragen
des Wärmeschutzes oder der konstruktiven Dauerhaftigkeit umgehen, weil
man wesentlich weniger Energieträger zur Hand hatte. Auch wenn wir heute
unter veränderten Bedingungen leben und arbeiten, lässt sich aus den
alten Baukonstruktionen, Raumtypologien und Nutzungsmustern für heute
viel lernen, zum Beispiel bezüglich eines sparsamen Material- und
Energieeinsatzes.
Warum sollte Baudenkmälern und vergleichbaren Gebäuden ihre Andersartigkeit belassen werden?
Baudenkmäler
sind Zeugen aus einer Zeit und einer Gesellschaft mit einer bestimmten
handwerklichen oder künstlerischen Kultur, in die wir nicht mehr zurück
können (und meist auch nicht wollen). Gerade weil Denkmale anders sind
als die Bauten, die wir heute errichten, liegt es im öffentlichen
Interesse, sie möglichst unverfälscht zu erhalten.
Die Fragen stelle Michaela Töpfer (†)
Kommentar von Markus Thinius, IgB: Ein bilanzierender Vergleich von Alt- und Neubauten bedarf einer ehrlichen Beurteilung!
Ein
bilanzierender Vergleich von ungedämmten und unabgedichteten Altbauten
mit energetisch ertüchtigten Bestandsbauten und entsprechenden Neubauten
ist nur dann sinnvoll, wenn auch wirklich Bilanz gezogen wird. Hierbei
sind Finanzierungskosten, Schadenshäufigkeit und -intensität ebenso zu
beachten wie eine echte Müllbilanz und der Energie- und
Rohstoffverbrauch. Sie sollten bezogen sein auf die durchschnittliche
Nutzungsdauer, von der wir heute noch nicht wirklich wissen, wie lange
diese für moderne Gebäude ausfallen wird. Schon deswegen sollte man
gegenüber großflächigen Experimenten an historischen Gebäuden sehr
kritisch sein
Es ist nur vor dem kommerziellen Hintergrund der
Baustoffindustrie zu verstehen, warum uns immer wieder Wellen von
letztlich unsinnigen Baumaterialien und Bauweisen überrollen, von denen
im Vorfeld schon bekannt war, dass die adversen (schädlichen) Effekte
auf Dauer überwiegen. Als Beispiele aus der Vergangenheit sind hier
Asbest, PCB und Holzschutzmittel im Innenraum zu nennen. Neben dem
gegenwärtigen Wahnsinn, alles und jedes zu dämmen (mit was auch immer),
lauern schon jetzt Nanomaterialien als „the next big thing“ im Bereich
der Schadstoffe. Das sind sicherlich alles interessante
Forschungsgebiete, doch als Feldversuch am Verbraucher und am
historischen Gebäudebestand sind sie nicht akzeptabel.
Ganz konkret zeichnen sich mittlerweile erhebliche
Schwierigkeiten im Bereich der in Denkmälern häufig favorisierten
Innendämmungen ab. Von holzzerstörenden Pilzen und Insekten zerstörte
Balkenauflager in „innengedämmten“ Außenwänden (aufgrund von
regelmäßigem Tauwasserausfall in der Konstruktion) führen in der Praxis
mittlerweile häufig zu verheerenden Schäden an gerade sanierten
Gebäuden. Auch die Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für
Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege (WTA) beschäftigt sich mit diesem
Thema. Mehr oder weniger brauchbare Lösungsansätze sind hier entkoppelte
Bauteile, Begleitheizungen und Ähnliches.
Ein ganz eigenes Thema sind 'biologische'
Dämmmaterialien wie Holzwolle und dergleichen. Sie sind hinsichtlich
ihrer Havarie-Empfindlichkeit meist kritisch zu beurteilen. Sind sie
einmal durchfeuchtet, ist praktisch nichts mehr zu machen, und
Schimmelpilze verwandeln derartige Systeme schnell in Abfall.
Generell muss man außerdem über das Abdichten von
Gebäuden kritisch nachdenken. Bei modernen Konstruktionen können sich
neben der Feuchteproblematik zusätzlich unkritische
Schadstoffkonzentrationen in Innenräumen (resultierend aus Belastungen
von Möbeln, Baustoffen, Einrichtungsgegenständen etc.) zu relevanten
Problemen akkumulieren. Allergien und ähnliche gesundheitliche Probleme
im Wohnumfeld nehmen dadurch bedingt immer weiter zu.
Aber natürlich macht es keinen Sinn, nur zu
schimpfen und zu kritisieren. Für viele neuzeitliche Probleme braucht es
neue Lösungen. Echte Lösungen findet man aber nur, wenn man zunächst
die Probleme einzelner Verfahren, Baustoffe, Techniken und so weiter auf
den Tisch legt und ehrlich beurteilt. Leider fehlt es zurzeit daran
überall.
Meiner Ansicht nach sind auch Wissenschaft und
Forschung dringend gefragt, sich der Thematik gründlich mit Studien im
Rahmen von Master-/Bachelor-Arbeiten anzunehmen. Eine unverzichtbare
Bedingung für unvoreingenommene Ergebnisse wäre jedoch die
Unabhängigkeit von Drittmitteln aus Politik oder Industrie sowie ein
Grundverständnis für den Denkmalgedanken und den Wert von Altbauten.
Markus Thinius
Markus Thinius vom Sachverständigenkontor Thinius -
van der Zande in Krefeld ist Ingenieur im Bauwesen, Geprüfter
Sachverständiger für Holzschutz, Baubiologe IBN und führt die
Sachkundenachweise für „Holzschutz am Bau", „Sicherheit und
Gesundheitsschutz bei Arbeiten in kontaminierten Bereichen,
Gebäudeschadstoffe", und „Erkennen, Sanieren, Vermeiden von
Schimmelpilzen in Innenräumen“ TÜV.
Unsere baupolitischen Positionen & Stellungnahmen an Politik und Öffentlichkeit zum Herunterladen: