Häuser in Stade © Interessengemeinschaft Bauernhaus, Bernd Kunze

Positionspapier: Klimaschutz im Bauwesen

Die IgB steht von Beginn an für die Nutzung und Umnutzung von ländlicher Architektur, ein ressourcenschonendes Bauen und das Bewahren mit natürlichen Materialien - auch durch tradierte Handwerkstechniken. Die Bestandserhaltung ist für uns ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz.

IgB-ler sind Pioniere, was diesen Umgang mit Altbauten angeht. Über Jahrzehnte ist im Verein ein wertvoller Erfahrungsschatz in Theorie und Praxis gewachsen. Als Verein wollen wir dieses Ziel jetzt stärker in eine gesamtgesellschaftliche Diskussion einbinden und zu seiner Umsetzung mit weiteren Aktivitäten beitragen. In der IgB ist ein Positionspapier entstanden, das Forderungen für den Bereich Bauwesen formuliert. Darin mahnt die IgB die Bestandserhaltung als einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz an und betont, dass ein Umdenken in Bezug auf die historische Bausubstanz stattfinden sollte, die in den gesetzlichen Regularien gegenüber Neubauten neu bewertet werden muss.

Grundsätzliches vorab

Der Gebäudebestand in der BRD ist für die derzeitige Bevölkerungszahl von 83,2 Mio ausreichend groß bemessen; jedes Jahr steigen die Quadratmeter der Wohnfläche pro Person in Deutschland an, zuletzt auf knapp 47m². Die Verteilung des Gebäudebestandes in Bezug auf Arbeitsplätze und Verdienstmöglichkeiten ist allerdings vielerorts unausgeglichen und führt zur Entleerung peripherer ländlicher Räume sowie zu einem extremen Verwertungsdruck im Einzugsbereich expandierender Ballungsräume. Der Bausektor gehört weltweit zu den energieund ressourcenintensivsten Branchen. Allein die Zementindustrie ist für acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Verbunden damit nehmen Bodenversiegelung und Verlust an freier Landschaft zu, was negative Folgen hat für Artenvielfalt und Aufheizung des Mikroklimas, ökologische Landwirtschaft, den Wasserhaushalt und damit auch die Lebensqualität.

Was fordern wir?

1. Siedlungspolitik

Arbeit und Wohnen sollten wieder gemischt gedacht und geplant werden, um unnötige Wege vermeiden zu helfen. Das spart Zeit und Energie. Gebäudeenergiegesetz Im Juni 2020 hat der Bundestag das Gebäudeenergiegesetz beschlossen, das EnEV, EnEG und EEWärmeG zusammenfasst, um das Nebeneinander verschiedener Regelwerke zu beseitigen. In Bezug auf den Klimaschutz nimmt das Gesetz keine bedeutende Weichenstellung vor. Es berücksichtigt nur den Energieverbrauch in der Nutzungsphase eines Gebäudes. Etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich entsteht jedoch bei der Herstellung der Baumateria

2. Umbau statt Zuwachs

Bauen im Bestand Vermeidung von Flächenfraß und Vorrang für den ökologischen Umbau vorhandener Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen: Die Neuausweisung von Bauflächen sollte radikal beschränkt, die Erhaltung traditioneller Baukultur, bzw. die maßvolle Umgestaltung bereits vorhandener Gebäude sollten massiv gefördert werden.

3. Bauvorschriften

Wir fordern, bei der Gesetzgebung ökologischen Aspekten wie Umweltrelevanz und Nachhaltigkeit Vorrang einzuräumen. Diese Forderung bezieht sich auch auf das Steuer- und Abgabenwesen.

Was bedeutet dies für das Bauwesen?

1. Um- und Neunutzung vor Abbruch und Neubau

Die Mehrzahl der vorhandenen Gebäude in Deutschland ist solide und mit natürlichen, umweltverträglichen und wiederverwendbaren Materialien errichtet worden. Über Jahrhunderte war es üblich, dass nachfolgende Generationen bestehende Gebäude ihren Bedürfnissen angepasst haben. Durch die Verschiebung zwischen Material- und Lohnkosten herrscht heute die Devise: Altes muss weg, weil Neubauten „wirtschaftlicher“ sind. In diese Bewertung fließen aber nur monetäre, keine ökologischen oder kulturellen Kriterien ein. Da Abriss und Entsorgung eines Altbaus Kosten verursachen, werden Neubauten meist in großzügig zur Verfügung gestellten Neubaugebieten errichtet – bei gleichzeitigem Leerstand in den historisch gewachsenen Ortskernen. Mit Zentren ohne ortstypische, alte Bausubstanz verlieren Dörfer und Städte langfristig ihr Gesicht und damit an Attraktivität.

2. Wie lässt sich hier eine Trendwende erreichen?

Dem Prinzip Umbau statt Zuwachs durch Gesetzgebung wirksam Vorrang verschaffen. Gebäude ganzheitlich betrachten und in den gesetzlichen Regularien eine Gesamtenergiebilanz berücksichtigen, also nicht mehr nur den reinen Energieverbrauch in der Nutzungsphase. Maßstab ist der Energieeinsatz ab Herstellung aller Baustoffe und Bestandteile sowie die Betriebsenergie über den gesamten Lebenszyklus (inkl. Energieeinsatz bei Abriss und Entsorgung). Historische Bauten mit ihrer lang andauernden Existenz und den meist lokal gewonnenen, natürlichen Baustoffen müssen eine Neubewertung erfahren – Stichwort „Graue Energie“.

Gleiches gilt für den Aspekt Ressourcenverbrauch und Recycling: Bereits bei Materialgewinnung, Herstellung und Verarbeitung von Baustoffen sollten neben energetischen auch weitere ökologische Aspekte in den Fokus rücken und in die Gesamtbewertung verbindlich einfließen – insbesondere:

• Eingriff in den Naturhaushalt

• Langlebigkeit

• gesundheitliche Unbedenklichkeit

• Fehlertoleranz

• Reparatur- und Rückbaufreundlichkeit

• Wiederverwendbarkeit

Wenn ein Gebäude abgebrochen wird, sollten Anstrengungen für die Wiederverwendung der dort verbauten Materialien unternommen werden; derzeit produziert der Bausektor 60 Prozent aller Abfälle. Intelligentes Bauen: Gebäude sollten möglichst lange und in guter Qualität genutzt werden können, es bedarf also intelligenter Gebäudeplanung, die die bestehende Bausubstanz nicht schädigt. Die intensive Beschäftigung mit historischen Gebäuden bringt wichtige Erkenntnisse für klimaangepasste und nachhaltige Bauweisen. Diese sollten genutzt werden, um ökologisch und bauphysikalisch verträgliche Energiesparmaßnahmen für Bestandsgebäude zu entwickeln.

3. Reform der Ausbildung von Architekten, Planern und Ingenieuren

Die Ausbildung von Baufachleuten sollte obligatorisch den Bereich „Bauen im Bestand” beinhalten, sowohl in der akademischen als auch der handwerklichen Lehre, inklusive der ökologischen Baustoffkunde.

Hier können Sie unser Positionspapier herunterladen

Interessengemeinschaft Bauernhaus - Werden Sie Mitglied
Interessengemeinschaft Bauernhaus - Unser Flyer zum Kennenlernen
Interessengemeinschaft Bauernhaus - Mitgliedschaft