Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse?

03. Mär 2023

Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse?

Seit Jahren, nach mancher Lesart sogar seit Jahrzehnten, stehen Forderungen im Raum, dass Bauen im Bestand aus mehreren Gründen Vorrang haben müsse vor Neubauten. Spielte in der Vergangenheit häufiger der überbordende Flächenverbrauch eine Rolle, sind es aktuell verstärkt Klima-Aspekte, die Neubauten in ein kritisches Licht rücken.

Der Bausektor wird aber immer noch vom Neubau dominiert - häufig in Kombination mit dem Abriss erhaltenswerter Bausubstanz und häufig sogar denkmalgeschützter - mit Duldung oder sogar Unterstützung der Baubehörden. Die Gründe für manche Schiefen in der Baupolitik und in der Praxis sind vielfältig und liegen irgendwo zwischen Gesetzeslücken und den traditionell-unseligen Verbindungen der Behörden und der Politik mit Interessenorganisationen der Immobilienwirtschaft im weitesten Sinne. Verstärkt wird diese Melange noch durch vielfach mangelnde Erfahrungen bei Architekten und Handwerksbetrieben mit Altbausanierungen. Und: Bei vielen Altbaubesitzern steht Kontosanierung durch Abriss und anschließendem Bau und Verkauf von Eigentumswohnungen vor Altbausanierung. Auf der Strecke bleibt bei dieser vorrangig kommerziellen Sichtweise häufig der soziale Wohnungsbau. Das aber ist eine andere Seite der (Bau-)Geschichte. 

Vor diesem Hintergrund haben im vergangenen Jahr mehrere Organisationen – darunter auch die IgB – bereits ein Abriss-Moratorium gefordert. Allein mit derartigen und häufig singulären Forderungen lässt sich in unserer von Lobbyisten beherrschten Politik kaum eine Wende erreichen. Zur Erinnerung: In Berlin gibt es grob geschätzt ca. 5.000 Lobbyisten – rein statistisch kommen also acht auf jeden Abgeordneten und deren Türen zu den Abgeordnetenbüros stehen parteiübergreifend weit offen für diejenigen, die sich mit einem Jahresausweis des Bundestags ungehindert und ungeniert auf den Fluren bewegen dürfen. 

Gegen den klimaschädlichen Abrisswahn hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die auch zu den Unterzeichnern des Abriss-Moratoriums gehört, jetzt nachgelegt: Ein von der DUH beauftragtes Rechtsgutachten zeigt auf, dass eine allgemeine Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse möglich und von den Bundesländern direkt umsetzbar ist. Die DUH fordert damit die Bauministerien der Länder auf, eine Genehmigungspflicht in den Bauordnungen zu verankern und einen Fokus auf Bestandssanierung und Umbau von Gebäuden zu lenken. Damit soll eine eklatante klimapolitische Lücke im Baurecht geschlossen werden, denn die aktuelle Rechtslage begünstigt den klimaschädlichen Abriss von Gebäuden, anstatt die ressourcenschonende Sanierung zu bevorzugen. Zudem ist es laut Gutachten möglich, eine Analyse der Umwelt- und Klimawirkungen an eine Abrissgenehmigung zu knüpfen. Dabei müssen Abriss und Neubau mit den Optionen Sanierung und/oder Umbau ökobilanziell verglichen werden. Das Faktenpapier der DUH zu den negativen Effekten von Abriss und Neubau, Forderungspapier Gebäudeabrisse vermeiden und Negativbeispiele Gebäudeabrisse ist verfügbar unter: l.duh.de/abrissevermeiden Das Kurzgutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Einführung einer verpflichtenden Abrissgenehmigung in den Bauordnungen der Länder ist verfügbar unter den Pressemitteilungen der DUH: https://www.duh.de/presse

Bernd Froehlich, IgB

aus: HN 1|2023, S. 70.