Hessen
Bad Vilbel, Wetteraukreis
hessisch-fränkisches Fachwerkhaus
Baujahre: 1696, 1804
Im Jahr 2015 habe ich dieses Fachwerkhaus erworben. Mich sprach von Anfang an die schöne Verzimmerung des Obergeschosses an. Prominent an einer Straßenecke gelegen, wollte ich dem Haus gerne wieder ein harmonisches Aussehen zurückgeben und es selbst bewohnen. Und ich wollte genaueres über Alter, Bau und Nutzung erfahren, das ist wie ein Puzzle oder Detektivspiel, das mir Spaß macht und bei dem es immer wieder Neues zu entdecken gibt. Ich sah aber auch die Möglichkeit, trotz der geringen Größe des Kernbaus, durch die Einbeziehung aller vorhandenen modernen Anbauten genügend modernen Wohnraum zu schaffen.
Im Erdgeschoss befand sich damals ein Zoo & Angelgeschäft, das Ober- und Dachgeschoss war ungenutzt und eine Renovierung war vor Jahren begonnen, aber zum Glück nicht fertig gestellt worden. Denn es wurde mit viel Zementputz und Trockenbau gearbeitet.
Ich fand nach einiger Suche sehr kompetente Handwerker, Fa. Holzbau Becker in Friedrichsdorf und für den Lehmbau Gerhard Wiezorek in Neuberg und auch andere, die eine tolle Arbeit leisteten. Und ich habe sehr viel Eigenleistung hineingesteckt, das gehört beim Bauen im Bestand oft dazu.
Im Folgenden versuche ich einige Details aufzuzeigen. In 8 Jahren ist einiges passiert, aber es stehen immer noch einige wichtige Dinge an. Es braucht eben seine Zeit oder auch noch länger.
Ich freue mich über jede Kontaktaufnahme zum Austausch, erreichbar bin ich unter email.wilhelm@gmx.de bzw.
ks_bad-vilbel@igbauernhaus.de und Tel. 0152-34343953.
Eine interessante Baugeschichte hat dieses Haus zu erzählen. Die dendrochronologische Untersuchung von Dr. Thorsten Westphal (Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH, Mannheim), die Belege im Stadtarchiv Bad Vilbel und die Akten der Deutsch-Ordenskommende Sachsenhausen im hessischen Staatsarchiv, sowie Stil und Art der Fachwerkdetails, lassen auf folgendes schließen: Um 1696 wurde das Haus erbaut, aber um 1804 von anderer Stelle auf das jetzige Grundstück umgesetzt, transloziert.
Zur Bauzeit um 1696 war das Fachwerk unverputzt mit halben und ganzen Mannfiguren mit Schnitzwerk an den Winkelhölzern zur Aussteifung und Schmuck zur Straßenfront gestaltet worden. Die oberen Zwischendecken, Pfetten und Sparren sind aus Nadelholz, sonst wurde Eiche verbaut.
Nach Umsetzung um 1804 wurde das Haus mit nur 2 Zonen mit ca. 6,5 mal 7,5 Metern Grundfläche plus separatem Anbau als Nagelschmiede errichtet. Ausführung der Grundmauer aus Bad Vilbeler Rotliegendem, Ausmauerung mit Strohlehmsteinen, untypische Eingangstür in der Straßengiebelfront, Biberschwanz-Eindeckung und das Fachwerk wurde verputz.
Ab den 1960er Jahren: Zerstörung des Erscheinungsbildes durch Einbau großer Schaufenster, Abbruch der Nagelschmiedewerkstatt, Errichtung neuer Anbauten, Nutzung als Ladengeschäft im Erdgeschoß.
Ab den 1980er Jahren dann Unterschutzstellung als Einzelkulturdenkmal, Freilegung des Fachwerks, Eindeckung mit Betondachstein und Verwendung Zementputz außen auf den Strohlehmsteinen.
Ab dem Jahr 2015 konnte ich mit der unteren Denkmalbehörde beim Wetteraukreis verschiedene wichtige Maßnahmen vereinbaren:
Das Holz zeigte nach einer vielstündigen, dokumentierten Untersuchung durch Zimmerer mit Hubsteiger außen und auch im Inneren nur geringe Schäden. Das lag wohl am früheren leichten Kalkputz des 19. Jahrhunderts und nach Freilegung in den 1980ern an nur dünnen Farbschichten sowie der Beibehaltung der Ausmauerung mit Strohlehmsteinen.
die großen Schaufenster wurden entfernt, das verlorene Fachwerk nach eigenem Entwurf aus Altholz rekonstruiert, frühere Fensterdurchbrüche wieder geöffnet und eine innere aussteifende Querwand aus statischen Gründen in Fachwerk neu hergestellt. Die Kunststofffenster der 1980er wurden durch gebrauchte isolierverglaste Holzfenster ersetzt. Ausgemauert wurde mit Leichtlehmsteinen bzw. die Strohlehmausmauerung freigelegt, dann außen mit Kalkputz und Silikatfarbe fertig gestellt. Innen wurde mit Holzweichfaserplatten in Lehmputz gedämmt. Moderne Einbauten und Wände wurden zum Teil zurückgebaut, der Eingang an die Hofseite verlegt und die Treppe zum Dachgeschoss ersetzt.
In den Ladenanbauten der 1960er entstanden Bad, Küche und Wohnzimmer. Das Haus erhielt komplett neue Installationen und eine Gasbrennwertheizungsanlage mit normalen Heizkörpern. Auch diese Maßnahmen wurden denkmalrechtlich begleitet, da sie einen Eingriff darstellen und weil sie dann ebenfalls steuerlich geltend gemach werden können.
Aber es steht noch einiges an: einige Teile wie Treppen, Böden, Dachgeschoß, Keller, Dacheindeckung usw. warten noch auf Renovierung und das braucht noch viel und Zeit und auch Eigenleistung.
Christian Wilhelm - IgB-Kontaktstelle Bad Vilbel