Hessen
Hirtenhaus
Kirchberg in Nordhessen
Baujahr: Anfang 19. Jh.
Erwerb des bebauten Grundstückes: 1978-03-14, Bezug noch nicht ganz fertiggestellt: 1981-07-11
Größe: ca. 9 × 16 m, ca 213 m² Wohnfläche,
ca. 1345 m³ Rauminhalt
Geschichte: erbaut Anfang 19. Jh.
als traufständiges Haus von 9 × 6 m, erweitert ca. 1865 um ca. 9 × 9 m , Satteldach um 90 Grad gedreht.
Zweckbestimmung: Wohnung der
dörflichen Hirten, Armeleutehaus. Bei Übernahme 20 Zimmer und Kammern, hinterm Tor
Feuerwehr-"Spritzenhaus". Zuletzt Sozialwohnungen, u. a. für Heimatvertriebene. Nov. 1946
Wohnsitz für 15 gemeldete Personen.
Der Abbruch des verwahrlosten
Hauses wurde durch Landesamt für Denkmalpflege verhindert.
Totalerneuerung: Unterkellerung des rückwärtigen
Anbaues, Grundrissänderung: Haustür an die lange südöstliche
Traufseite. Modernisierung unter Beibehaltung und Instandsetzung des
(größtenteils) Eichen-Gebälkes, Anhebung des skelettierten
Fachwerks einschließlich Dachdeckung um 12 (vorne) bis 17 (hinten)
cm durch Rollschicht aus Schornsteinklinkern unter den Schwellen auf
dem Sandsteinsockel.
Die damals bis zu knapp 170 Jahre alten
Dachziegel liegen größtenteils noch auf den (bei der Umdeckung
verstärkten) Sparren von ca 1865, wurden aber 1984 neu eingedeckt
auf Unterdeckung und Lattung 4 × 6 cm. Allerdings ist die
Gitterfolie, die damals zu den üblichen Unterdeckungen verwendet
wurde, vom durch die vielen Spalten zwischen den Handstrichziegeln
durchdringenden UV-Sonnenlicht weitflächig zerstört, sodass sich
die Notwendigkeit einer Umdeckung anzeigt.
Auf Sturm antworten
die alten Handstrich-Hohlpfannen sehr geduldig: Sie klammern sich
nicht aneinander, bieten dem Wind keine großflächigen
Angriffsmöglichkeiten, haken sich mit ihren langen Nasen an der
Latte fest, legen sich nach der Windböe wieder an ihren Platz –
während sich die Doppelfalzziegel der Nachbardächer rechtwinklig
von der Lattung abheben und unterhalb der Latten wieder absenken und
dann großflächig abrutschen. Zusätzliche Sicherheit verschaffen
die Ortgangverwahrungen aus durchgehend langen Lärchenbrettern:
Unterbrett, Stirnbrett und Deckbrett über den unterschiedlich
hohen Spitzen der Hohlpfannen.
Baukosten: ca. 7.000
Stunden Eigenleistung der Erwerber, (dabei 1 Jahr Erwerbslosigkeit),
2.000 Stunden Nachbar- und Freundeshilfe (zum Teil auf
Gegenseitigkeit), 22.000 Fahrkilometer zwischen Wohnung und Baustelle
bzw. zur Materialbeschaffung, Barausgaben für Material und
Firmenleistungen ca. 270.000 DM
Grobe Nachkalkulation
besagte knapp 2.400 DM/m² oder knapp 400 DM/m³.
Dieses
Haus wurde während der Bauzeit von den Eignern unter Denkmalschutz
gestellt als erstes profanes Bauwerk in der Stadtgemeinde
Niedenstein. Während der Bauarbeiten hat die Bauherrschaft unendlich
viel gelernt aus den Holznagel-Heften jener Zeit und auch unmittelbar
vom Gründer Julius H. W. Kraft. (Für den jungen Architekten war es
ein unglaublich reiches Lehrstück. Die Erfahrungen daraus konnte er
später an vielen Häusern mit ähnlichen Bausorgen anwenden, zum
Nutzen vieler anderer Bauherrschaften. Über mehrere Jahre fand sich
eine "Interessengemeinschaft Fachwerkhaus Nordhessen (IFN)"
zusammen, in der nach der Art der IgB reger Austausch unter den
"leidtragenden Bauherren von Fachwerkhäusern" stattfand.
Markwart Lindenthal und Lydia Lindenthal