Die Preisträger haben es sich bei ihrer Arbeit nicht leicht gemacht – und zwar absichtlich. Das hoben die Laudatoren bei den Verleihungen im nordrhein-westfälischen Nümbrecht und im niedersächsischen Wardenburg würdigend hervor. Tatsächlich lässt sich die Zeit, die sie in ihre Häuser steckten, kaum messen. Ein Leben, das auf der Baustelle stattfindet: viele IgB‘ler können das nachempfinden. Mit großer Hingabe, harter Arbeit und unablässigem Einsatz verloren beide Paare über die Jahre hinweg die selbst gesteckten Ziele nicht aus den Augen. Motiviert hat sie dabei stets die Vorstellung davon, wie alles einmal aussehen wird. Das begeisterte die Jury, denn die Freude über das Erreichte und die Liebe zur alten Bausubstanz klingen in beiden Bewerbungen an vielen Stellen durch.
Dazu kommt ein kluges, vorbildlich preisgünstiges und ressourcenschonendes Vorgehen: Die Preisträger haben sich überlegt ein altes Haus gesucht, das sie zunächst dokumentierten und erforschten. Damit erfüllten sie wesentliche Grundlagen, um es zu verstehen und, um Instandsetzungskonzepte erarbeiten zu können, die den Häusern gerecht werden. Entscheidend war für sie Originalsubstanz, wo immer möglich, zu erhalten und keine großen Umbauten vorzunehmen. Auch verbliebene Möbel, Türen und Fenster wurden aufgearbeitet. Sie haben sich ihren Häusern genähert und sich ihnen angepasst. Auf unverhoffte Störungen reagierten sie flexibel und kreativ. Probleme haben sie als Aufforderung verstanden, passende Lösungen zu finden. Alle Vier bringen durch ihre Berufe zwar fundierte handwerkliche Kenntnisse mit, sie waren aber auch bereit, sich neues Wissen anzulesen und sich zudem zielgerichtet fortzubilden. Und sie haben gut mit allen Partnern einschließlich der Denkmalpflege kommuniziert. Die Jury, Dr. Monika Herzog vom Landschaftsverband Rheinland, Dr. Volker Gläntzer ehemals Landesdenkmalamt Niedersachsen, Caroline Weiss vom Vorstand des Verbands der Restauratoren sowie IgB-Bundesvorsitzender Hajo Meiborg und IgB-Gechäftsführerin Dr. Julia Ricker erachten diese Vorgehensweise als so exemplarisch und fruchtbar, dass sie daraus Kriterien für eine nachhaltige und preisgünstige Sanierung erarbeitet haben.
Sylvia und Michael Hanisch suchten 2009 im Kölner Umland gezielt nach einem alten Gebäude und fanden ihr Fachwerkhaus im Bergischen Nümbrecht-Niederelben dann doch durch Zufall beim Spazierengehen. Damals stand es fast zehn Jahre leer und sollte abgerissen werden. Sein ruinöser Zustand schreckte die Hanischs nicht ab – im Gegenteil. Nach einer Bedenkzeit, in der sie das Gebäude immer besser kennen und schätzen lernten, erwarben sie es und retteten es damit in letzter Sekunde vor dem Abrissbagger.
Das denkmalgeschützte, in Eichenfachwerk errichtete Wohnstallhaus, dessen Hauptteil von 1808 stammt und 1828 um ein Drittel erweitert wurde, schmücken profilierte Ständer und einen bauzeitlicher Türspruch. Gravierende Schäden am Gebäude entstanden durch Wasser, das durch die undichte Dachhaut eingedrungen war und die Deckenfelder der Räume so durchfeuchtete, dass Lehm in großen Flächen herunterfiel und sich verschiedenste Schimmelarten ausbreiten konnten. Es war aber auch von Vorteil, dass in den vorherigen Jahrzehnten keine Sanierungen stattgefunden hatten, denn so waren Hohlpfannen aus der Zeit um 1900, originale Sprossenfenster und Türen, Lehmputze und Ausfachungen erhalten geblieben.
Als ein zu Rate gezogener Architekt den Hanischs vorschlug, das Haus zu entkernen und die Bruchsteinmauern im Keller durch Betonwände zu ersetzen – die Summe, die er für alles veranschlagte betrug 980.000 Euro – war klar, dass ein anderer Sanierungsweg gefunden werden muss, der außerdem zu ihrem Budget passt. Ausgegeben haben sie letztlich gerade einmal ein Viertel des von dem Architekten errechneten Betrages. Mit Studenten von der Technischen Hochschule in Aachen fanden sie Menschen, die ihnen umsonst ein Handaufmaß machten und dabei noch etwas lernen konnten. Als Bauherren arbeiteten sie teilweise ihren Handwerkern zu und ließen sich Techniken zeigen, zum Beispiel vom Maurer, der ihnen die langsam in Vergessenheit geratene historische Technik des Mörtelns mit Luftkalk beibrachte.
Sprüche wie „das Ding reißt ihr doch ab, oder?“ bekamen die Hanischs im Dorf nicht selten zu hören. Heute ist das Kopfschütteln ehrlichem Lob und Respekt gewichen. Einstige Kritiker sind jetzt der Meinung, dass das Haus zur Dorfmitte gehört und nicht durch einen Neubau zu ersetzen gewesen wäre. Mit ihm bleibt ein kleiner Teil bergischer Hauskultur erhalten. Das ist ein hohes Gut für die Region rund um Köln, die seit Jahren ihren landschaftstypischen Charakter deutlich verliert, weil historische Gebäude nach und nach abgerissen und an ihrer Stelle austauschbare Neubauten errichtet werden.
Annekatrin Reißauer und Sven Rathjen begeisterte von Beginn an der weitgehend originale Zustand ihres Bauernhauses am Rande der Wildeshausener Geest nahe der Hunte. Weil das Backsteingebäude aus der Zeit um 1900 lange unbewohnt, aber noch in gutem Zustand war, wollten sie so wenig wie möglich daran verändern. Das gilt für die Bausubstanz genauso wie für Dinge, die alt waren aber noch gut funktionierten, zum Beispiel die Gastherme.
Während der Sanierung entwickelte sich im Freundeskreis ein kleines Baustellennetzwerk, das sich bei einzelnen Arbeiten gegenseitig unterstützte und außerdem Werkzeuge, Baumaterialien sowie Wissen und die Fertigkeit handwerklicher Techniken untereinander austauschte. Das Paar ließ sich beibringen, wie man Sumpfkalk und Kalkputze herstellt. Fensterfugen stopften sie mit Hanfwolle und Kalkmörtel aus mit dem Ergebnis, dass der Schallschutz besser ist als er bei der Verwendung von industriell hergestelltem Bauschaum gewesen wäre. Alte Klinker, Deckenbalken und historische Wandfliesen, sogar ein altes Waschbecken vom Speicher wurden wiederverwendet. Eine besondere Ästhetik geben die Wände den Wohnräumen, da unter alten Tapeten schöne Farbanstriche zum Vorschein kamen. Die Farbpartien beließen die Hausbesitzer so, wie sie sich erhalten hatten, während sie Fehlstellen mit Kalkmörtel ausbesserten. Rückblickend sagen Annekatrin Reißauer und Sven Rathjen, dass sie in der Gemeinschaft ihres kleinen Baustellennetzwerks Dinge bewältigten, für die sie alleine nicht die Kraft gehabt hätten. Und, dass sie durch die schönen Ergebnisse immer für die unzähligen Stunden, die zuvor daran gearbeitet wurde, versöhnt worden seien.
Es ist bemerkenswert, dass zu den geringen Anschaffungskosten für das unsanierte, unbewohnte Haus in Wardenburg Instandsetzungskosten kamen, die unter 100.000 Euro blieben. Der höchste Posten dieser Summe ist übrigens der Austausch von Kunststoffenstern gegen Holzfenster. Damit setzt das Paar ein Signal! Es beweist, dass es möglich ist, ein regionaltypisches und landschaftsprägendes Baudenkmal zu erwerben und zu sanieren und dabei weniger Geld zu investieren als für einen Neubau notwendig gewesen wäre.
„Die Gewinner haben den Preis bekommen, weil sie beispielhaft gezeigt haben, wie mit klugem Handeln Dinge gemacht werden, die vermutlich mit mehr Geld im Portemonnaie kaputt gemacht worden wären. Sie haben den Preis bekommen, weil das Ganze auch noch exemplarisch und preiswert vonstatten ging. So, wie Sie es gemacht haben, kommt eine Konzeption zustande, deren Umsetzung mit der Freiheit verbunden ist, nicht alles erneuern zu müssen, sondern auch einmal etwas zu belassen. Dann bleibt es eben ein bisschen alt und schief patiniert. Dieses als eigenen ästhetischen Wert zu erkennen jenseits von Modeströmungen wie „vintage“, macht den dauerhaften Wert einer echten Antiquität aus.
Beide Paare haben wir mit dem Preis ausgezeichnet, weil wir uns alle wünschen, dass mehr junge Leute wieder Denkmale für sich erwerben und erarbeiten. Dass sie sich als Erben unserer Vorfahren und deren Bauwerke sehen, in die bereits einmal viel Zeit, Lebenszeit und Graue Energie geflossen ist – denn das ist nachhaltiges Handeln. Der Julius-H.-W.-Kraft-Preis ist die Anerkennung für den Wert des Handelns der Preisträger. Es ist das menschliche Vorbild, das sie geben – dieses ist preiswürdig!“
Der mit insgesamt 3.000 Euro dotierte Julius-H.-W.-Kraft-Preis würdigt alle zwei Jahre, dem jeweiligen Motto entsprechend, besondere Leistungen und Beiträge auf dem Gebiet der Erhaltung historischer Bausubstanz auf dem Land. Die nächste Ausschreibung findet im Februar 2019 statt. Die Wettbewerbsbeiträge müssen bis zum 31. August 2019 bei der IgB-Geschäftsführung eingereicht werden. Im Holznagel, auf unserer Internetseite und über die Fachpresse werden wir Sie rechtzeitig über das Thema und die Wettbewerbsbedingungen informieren.
Julia Ricker
Dr. Volker Gläntzer, ehemals Landesdenkmalamt Hannover - Caroline Weiss, Restauratorin - Dr. Monika Herzog, Landesamt für Denkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland - Hajo Meiborg, IgB-Bundesvorsitzender - Dr. Julia Ricker, IgB-Geschäftsführerin (nicht im Bild). Wir danken allen für die angenehme und konstruktive Diskussion und ihr Engagement!
• steht die Frage: Liebe ich alte Gebäude und ihren Charakter und habe ich die Motivation, mich dauerhaft darum zu kümmern?
• Eigenwahrnehmung: Welche Arbeiten kann ich mir zutrauen, wo hört mein handwerkliches Geschick auf?
• Risikoeinschätzung: Recherche und Erkundung der Bausubstanz – was kann ich entweder selbst leisten oder wo muss ich einen Fachmann hinzuziehen
• Netzwerkbildung: Habe ich oder suche ich mir Helfer, bereitwillige Handwerker, die historische Techniken beherrschen und mit traditionellen Materialien umgehen können und Partner – wie die IgB –, die ich zur Hilfe und Beratung hinzuziehen kann?
• Kaufpreis: Gravierende Schäden am Haus sollten kaufpreisbildend sein und bei der Ermittlung des Kaufpreises sollten wert-mindernde Aspekte berücksichtigt werden.Bestandsanalyse
• Die Dokumentation des Gebäudes und die Erfassung von Bauschäden sollten vom Keller bis zum Dach sowohl fotografisch als auch durch Zeichnungen und Notizen bzw. in einem Lageplan festgehalten werden, vor allem wertvolle Details.
• Der Umfang der technischen und bauhistorischen Bestandsaufnahme sollte im Verhältnis zum historischen Wert und dem Alter des Gebäudes stehen sowie dem Maß an Veränderungen, die umgesetzt werden sollen, entsprechen.
• Das Wohnkonzept sollte im wesentlichen vom Haus ausgehen und nicht starr sein.
• Ich bin bereit, flexibel auf das zu reagieren, was das Haus und seine Substanz mir bieten.
• Erforderliche Baustoffe werden schon vor und während der Instandsetzung gesammelt und ggf. gelagert bis sie benötigt werden.
• Recycling von Materialien und Ausstat-tungsstücken ist nicht nur ressourcenschonend, sondern trägt dazu bei, den Charak-ter des Gebäudes zu bewahren.
• Frage an mein Netzwerk: Wer kann mir wobei helfen? Habe ich Handwerker, die be-reit sind nach meinen Vorstellungen zu arbeiten? Habe ich Unterstützer wie die IgB?
• Ich mag den Charakter alter Oberflächen wie ungerade Wände, Decken und Türen.
• Das Instandsetzungskonzept sollte kreativ und flexibel umgesetzt werden, indem es im Bedarfsfall reflektiert und nachkorrigiert wird. Ich sollte dazu bereit sein, an bestimmten Punkten Handwerker hinzuzuziehen und mich weiterzubilden.
Mit dieser in der Jurysitzung entwickelten Struktur möchten wir Denkanstöße geben, was vor und während des Instandsetzungsprozesses beachtet werden sollte. Es handelt sich dabei um allgemeine Kriterien, zu denen selbstverständlich bei jedem Haus noch individuelle Aspekte hinzukommen.