Hilfreich für die Kaufentscheidung war eine damals noch gewährte Förderung der Stadt Höxter für den Erwerb eines innerstädtischen Wohnhauses. Weitere Förderprogramme kamen hinzu.
Bei der Untersuchung des Gebäudes zeigte sich, dass der Gebäudekomplex aus verschiedenen Bauphasen besteht: Das Erdgeschoss des Hinterhauses stammt vermutlich aus dem 13.-14. Jahrhundert, während das Obergeschoss in das 16. oder 17. Jahrhundert datiert werden kann. Es handelt sich um einen Saalbau mit einer Geschosshöhe von ca. 3,3 m und Gipsestrichboden. Das Vorderhaus wurde im frühen 19. Jahrhundert erbaut, Die Fassade zur Straßenseite ist massiv ausgeführt, die Traufseiten dagegen in Fachwerkkonstruktion. Das Gebäude wurde als Wohn-/Geschäftshaus mit Ladenlokal genutzt. Hinzu kommen ein Nebengebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert sowie der Pavillon auf der Stadtmauer von ca. 1920. In den Jahren vor 2010 wurde das Gebäude durch unterlassene Unterhaltungsmaßnahmen massiv geschädigt: die undichte Dachhaut, defekte Wasser- und Abwasserleitungen und Schimmel durch Teil-Leerstand sorgten für einige Überraschungen im Verlaufe der Sanierung.
Um das finanzielle Risiko zu minimieren, setzte Familie Güttler auf eine umfangreiche Vorplanung und ein ausgereiftes Sanierungskonzept. In den Mittelpunkt ihrer Planungen stellten sie den Erhalt vorhandener Gebäudestrukturen, Erhalt und Restaurierung sollten vor Abriss und Neuaufbau stehen. Zudem entschieden sie sich für die Verwendung von Naturbaustoffen wir Lehm, Leinöl, Löschkalk oder auch Erdpignemten. Dort, wo Baustoffe oder Bauteile zugekauft werden mussten, sollte der Einsatz von wiederverwerteten Materialien aus Abbrüchen oder Ankäufen Vorrang vor neuen Baustoffen haben. Dies gelang beispielsweise mit der Verwendung von Sandsteindachplatten, Sandsteinfußbodenplatten, Eichenkanthölzern, Bruchsteinen, Sandsteinstufen und -gewänden, aber auch von Türen, Öfen und Lampen. Für den Zeitraum der Sanierung wurde ein sozialversicherungspflichtig beschäftigter Mitarbeiter eingestellt. Die Bauherren unterstützten diesen nach Kräften durch Eigenleistungen. Um dieCO2-Bilanz zu verbessern, entschieden sie sich für eine Fassadendämmung mit Holzfaserplatten und hinterlüfteter Fassade aus Sandsteinbehang über der stark verschandelten Fachwerkkonstruktionmit Bruchsteinausfachung. Für die Innendämmung der Ziegelfassade kamen Holzfaserplatten zum Einsatz. Die Beheizung erfolgt mittels einer Wandtemperierung im Lehmputzaufbau in Kombination mit einem Holzvergaserkessel und Wasser-Wasser-Wärmepumpe. Im nicht sichtbaren Dachbereich wurde Solarthermie installiert. Auf den bauhistorisch weniger bedeutenden Schuppen- und Pavillondachflächen ließen die Bauherren eine PV-Anlage zur Eigenstromproduktion errichten – ein Pilotprojekt auch seitens der Denkmalbehörde der Stadt Höxter.
Bei der Sanierung der Decken mit Fußbodenaufbau wurden die geschädigten Bereiche entfernt, mit neuen Deckenwicklern ergänzt und die Decken in der Unteransicht mit Lehmputz und Kalk-Kasein-Anstrich fertiggestellt. Der Fußboden im EG wurde aus wiederverwerteten Sandsteinfußbodenplatten erstellt, in den Obergeschossen wurden Eichendielen mit eingelegter Feder mit Schlitzschrauben verlegt. Die Eichendielen wurden aus Industrieholz aufgesägt, kammergetrocknet, besäumt und verschraubt. Anschließend wurde der Boden mit dem Bandschleifer eingeschliffen, mit Leinölfirnis grundiert und abschließend mit Fußbodenhartöl endbehandelt. Die Fußleisten wurden hierzu passend auch aus dem Eichenholz gefräst. Der Boden behält durch dieses Vorgehen eine gewisse Lebendigkeit. Bei den Türen wurde auf gesammelte Bestände aus ca. 20 Jahren zurückgegriffen und durch Ebay-Schnäppchen ergänzt.
Für ihr Bauvorhaben zieht Familie Güttler folgendes Fazit: "Kostengünstiges, aber trotzdem nachhaltiges Bauen wird künftig einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Unsere Vorfahren haben, wie die Geschichte vieler alter Häuser zeigt, ebenso gehandelt und die Bestände durch die Jahrhunderte gebracht. Wir sollten uns an ihnen ein Vorbild nehmen.“
Güttler, T.: "Sanierung eines Bürgerhauses aus dem 14. bis -19. Jahrhundert", Der Holznagel - Zeitschrift der Interessengemeinschaft Bauernhaus 3/2020, S. 10ff