Mecklenburg Vorpommern
Rütting
Wassermühle
Baujahr: 1878
1990 begann meine Geschichte mit der Rütinger Mühle.
Das Haus war in einem sehr schlechten Zustand. Deswegen wollten die beiden letzten Mieter seit geraumer Zeit ausziehen.
Seit 1987 war die Mühle als Denkmal geschützt. Bei den Recherchen zur Geschichte des Mühlenstandortes konnte das erste verbriefte Wasserrecht von 1669 festgestellt werden. Das Mühlengebäude wurde 1878 am historischen Standort neu anstelle eines sogenannten „Holländerhauses“ errichtet. In den kommenden Jahren folgten übrigen Gebäude des Mühlenhofes: Scheune, der Schweinestall und später eine Erweiterung des bestehenden Backhauses. Die Mühle war bis 1975 funktionstüchtig. Brot wurde noch bis Anfang der 1960er Jahre gebacken.
Die Mühle wurde von 1996-2000 mit überwiegend natürlichen Baustoffen modernisiert. Fachwerkreparatur mit alter Eiche, Ausfachung mit den originalen Reichsformatziegeln, neuer Dachstuhl mit Bitumenpappe, innenliegende Wärmedämmung mit Strohlehmsteinen und Zwischenwanddämmung mit Zellulose, neue Kastenfenster mit Sprossenflügel außen und Isolierglasflügel innen. Mit dieser Bauweise wurde ein geringer HT`(Transmissionswärmeverlust) von 0,54 W/qmK erreicht.
Nach der Modernisierung befinden sich vier Wohnungen in dem energetisch modernisierten Haus.
Die Zielstellung war von Anfang an die Verwendung der anliegenden Wasserkraft für den Betrieb einer Wärmepumpe. Die Wärme für die Wandheizung im Lehmputz liefern sollte. Diese kann mit niedriger Vorlauftemperatur mittels Wasser/Wasser-Wärmepumpe betrieben werden. Deren Einbau erzeugte beim Besuch von Mitarbeiterinnen des Netzbetreibers großes Erstaunen, weil ich diese moderne Technik in so ein altes Gebäude einbauen würde.
Wärmepumpen mit niedrigen Vorlauftemperaturen boten sich bei einer vollständigen Instandsetzung eines Fachwerkhauses schon vor dem Jahr 2000 an.
Der Sinn einer Wassermühle besteht in der Nutzung der anliegenden Kraft des Wassers. Im Flachland wurden die kleine Bäche mittels Erddamm zu einem Teich aufgestaut. Damit prägte der Mühlenstandort entscheidend den lokalen Raum und die Natur paßte sich an. Die Wasserkraftnutzung wandelte sich von unterschlächtigen zu mittel- oder oberschlächtigen Wasserrädern bis zu Turbinen seit Ende des 19.Jahrhunderts. Die Besonderheit in Rüting ist die von Kuchelmiß umgesetzte Henschel-Jonval-Turbine von 1865, die hier auch zu besichtigen ist, neben dem neuen oberschlächtigen Wasserrad zur Stromgewinnung.
Das Antragsverfahren zur Nutzung des Wasserrades mit 11 kW Leistung läuft seit 1995 und ist bis heute 2023 nicht abgeschlossen.
Der ursprüngliche Sinn der Mühlenerrichtung, an diesem Standort die Kraft des Wassers zu nutzen kann bis heute nicht wieder aufgenommen werden, obwohl des neue oberschlächtige Wasserrad seit 2014 Strom für bis zu 20 Haushalte erzeugen könnte. Durch die zuständige Behörde werden Probleme vom Hochwasserschutz bis zur Durchgängigkeit des Baches für Fische als Hinderungsgründe benannt, die nur die Nutzung des übrig bleibenden Wassers zulassen würden.
Trotzdem seit einiger Zeit mit hohem Aufwand die fossilen Energien abgelöst werden sollen darf ein funktionierendes Wasserrad hier nicht laufen und lokalen Strom erzeugen!
Die früher an Mühlen üblichen Aalfänge sind heute nichtmehr zu besichtigen. Der damals täglich gefangene Fisch wurde als Nahrungsmittel genutzt.
Der jahrhundertealte Mühlenstandort soll den früheren Zweck dieses Standortes zeigen, nämlich wie unsere Vorfahren lokale natürliche Energie zu nutzen wußten. Aber die Erfahrungen unserer Vorfahren haben es schwer.
2005 erhielt die Mühle eine Anerkennung im Rahmen des Julius-H-W-Kraftpreises für die mustergültige Restaurierung der IgB.
Jan-L. Bauditz