Tempelhof, Landkreis Eichstätt, Bezirk Oberbayern: Ehemaliges spätmittelalterliches Gut des Templerordens. Vom Graubündner Barockbaumeister Jakob Engel für das spätere füstbischöfliche Landgut erbautes Herrenhaus © Eva Martiny

Jurahäuser in Not - eine Online-Plattform des Jurahausvereins

Die Vernichtung des Haustyps Jurahaus schreitet voran. Einmalig in der Altmühlregion im mittleren Bayern, mit seinen schweren Steindächern aus dünnen Kalkplatten, von südländischer Ästhetik, kubisch, schnörkellos, wie aus der umgebenden felsigen Landschaft geschnitten, wurde ihr Erhalt 2018 in die bayerische und 2021 in die deutsche UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes – Gute Praxis – eingetragen. Seit 800 Jahren bildeten sie die Hauslandschaft des Altmühljura.

Dies alles ficht aber nach wie vor einen Teil von Privatleuten wie Kommunalverantwortliche wenig an. Nur ein kleiner Teil der Jurahäuser und mächtigen Scheunen steht unter Denkmalschutz.

Was in anderen Bundesländern erst beginnt, ist in Bayern seit 1996 Realität: Das bayerische Landesamt für Denkmalpflege wurde entmachtet und zur Beratungsinstanz herabgestuft, die Zuständigkeit über Wohl und Wehe - sprich Erhalt und Abbruch von Baudenkmälern – auf die kommunale Ebene verlagert. Mit verheerenden Folgen: Kommerz, kommunale Verflechtungen und kurzsichtiges Profitdenken entscheiden viel zu häufig.

So erkannte der Jurahausverein, der sich seit 1984 um den Erhalt der Jurahäuser bemüht, mit zahhlosen Veranstaltungen, wie den „Tagen der offenen Jurahäuser“, mit seinem Museum Das Jurahaus, mit seiner jährlichen Zeitschrift, mit Briefen und Appellen an Behördenvertreter und Kommunalpolitiker, mit Presseberichten: So kann es nicht weitergehen! Wir brauchen eine schärfere Gangart, wenn wir nicht resignieren wollen.

Jurahäuser sterben still. Das Dach wird undicht, bricht ein, der Verfall beschleunigt sich, der Abbruch wird beantragt. Von einem „Schandfleck“ ist die Rede. Hie und da ein Pressebericht über einen erfolgten oder geplanten Abbruch, und nach wenigen Wochen bleibt ein leer geräumter Platz zurück. Bald ist vergessen, was hier einst an Baukultur, an Lebensraum für Generationen, an Ortsgeschichte, an einem Schmuckstück bäuerlicher Architektur gestanden hat.

So gründeten wir die Online-Plattform „Jurahäuser in Not“ ( www.jurahausverein.de/jurahaeuser-in-not) mit dem Aufruf an alle, von Verfall und Einsturz gefährdete Jurahäuser zu melden und Fotos davon zu schicken. Das Verbreitungsgebiet der Jurahäuser ist groß und umfasst mehrere Regierungsbezirke. Weder wir als ehrenamtlich Tätige noch die Gebietsreferenten des zusammengesparten Landesamtes für Denkmalpflege sind in der Lage, den Zustand der verbliebenen Jurahäuser zu beurteilen. So setzen wir mit dieser Plattform auf die Unterstützung der Bürger vor Ort.

Und der „Erfolg“ – so weit man in dieser traurigen Angelegenheit davon sprechen kann – war überwältigend: In wenigen Wochen hatten wir 41 Einträge, davon 19 von Jurahäusern, die unter Denkmalschutz stehen.

Gimpertshausen, Gemeinde Breitenbrunn, Landkreis Neumarkt Bezirk Oberpfalz © Eva Martiny
Titting, Landkreis Eichstätt: Bäuerliches Anwesen, Wohnhaus mit Scheune, ab spätem 18. Jh. erbaut. © Eva Martiny

Ziel ist es, die Öffentlichkeit aufzurütteln und auf den Verlust des gemeinsamen Kulturerbes aufmerksam zu machen - und es Kommunalpolitkern zu erschweren, weiterhin Bebauungskonzepte aus dem vorigen Jahrhundert zu verfolgen und eben schnell einen Abbruch zu beschließen. Im Falle denkmalgeschützter Gebäude informieren wir auch die Denkmalbehörden.

Denn die Rechnung, ein Neubau sei billiger als der Erhalt eines historischen Gebäudes, ist fast immer falsch: Der CO2-Ausstoß ist bei Abbruch und Neubau um vieles höher als die Ertüchtigung eines Hauses (Stichwort: Graue Energie). Die Zementindustrie ist einer der größten CO2-Emittenten weltweit. Bauschutt macht die Hälfte des in Deutschland anfallenden Abfalls aus.

All diese Kosten und Folgen für den Klimawandel tragen wir alle. Der Ukraine-Krieg und die weiter zu erwartenden Probleme bei der Energieversorgung verschärfen die Problematik.

Dabei gibt es für den Erhalt historischer Bausubstanz und gewachsener Ortsbilder ausreichend Fördermittel: z.B. für die Dorferneuerung und über Städtebaufördermittel, v.a. das Programm „Innen statt Außen“. Voraussetzung dafür ist allerdings ein zukunftsweisendes und nachhaltiges kommunales Konzept. Falls ein Gebäude unter Denkmalschutz steht, tun sich weitere Fördermittel auf.

Kommunen, die weiterhin planen, als gebe es kein Morgen, müssen sich öffentliche Kritik gefallen lassen. Neben deutlicher Kritik an dem aus unserer Sicht verantwortungslosen Verhalten mancher Kommunalpolitiker, die wir z.B. in Offenen Briefen auch über die Presse formulieren, bieten wir auch unsere Hilfe an.

In nahezu jedem unserer jährlichen Publikation „Das Jurahaus“ haben wir Sanierungsbeispiele veröffentlicht, die als positive Beispiele auch für Nutzungsmöglichkeiten dienen können. Wir laden in unser Museum Das Jurahaus in Eichstätt ein oder oder in denStadel der Obermühle in Dietfurt-Mühlbach, wo es umfangreiche Informationen über den Haustyp gibt. Und selbstverständlich stehen wir im Rahmen unserer ehrenamtlichen Tätigkeit für Beratung zur Verfügung.

Eva Martiny

Der Bericht erschien im Holznagel 3/2022.

Die Autorin Eva Martiny ist seit 2006 1. Vorsitzende des Jurahausvereins. Die Geschäftsstelle im Museum „Das Jurahaus“ ist auch die IgB-Kontaktstelle Eichstätt.


Kontakt:

Jurahaus-Verein e.V.

Geschäftsstelle im Museum "Das Jurahaus"
Rot-Kreuz-Gasse 17
85072 Eichstätt

Öffnungszeiten der Geschäftsstelle und des Museums: https://www.jurahaus-verein.de/museum/oeffnungszeiten

Tel: 08421-904405

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